Berlin Wolfsburg (German Edition)
Täterkreis, unterstützt von
Polizisten – falls sich die Annahme auch bei den anderen Beamten bestätigen
sollte«, stimmte Johanna zu. »Totschlag, Vergewaltigung, versuchter Totschlag,
Gewaltorgien und Hass – verübt von meistens mehreren jungen Männern, der
Anschlag auf das Restaurant …«, zählte sie auf. »Alle Fälle liegen schon einige
Monate zurück – ob das eine Bedeutung hat, wird sich noch zeigen. In jedem Fall
klingt das alles ziemlich widerlich.«
»Dem Eindruck schließe ich mich an«, sagte Kuhl.
»Wie geht es weiter?«
»Gute Frage. Wir müssen zunächst im Detail überprüfen, ob die These
eines übergreifenden Zusammenhangs tatsächlich greift, und zwar schnell, sauber
und unauffällig, jedenfalls solange wir nicht mit handfesten Beweisen aufwarten
und das Ausmaß nicht abschätzen können«, referierte die Staatsanwältin. »Ich
nehme mir die Akte mit dem Huhlmann-Fall noch einmal vor und höre mich darüber
hinaus vorsichtig um, ob bei der Beamtin das Geld auch locker gesessen hat.
Außerdem bitte ich meinen für Peine zuständigen Kollegen, entsprechend aktiv zu
werden.«
Johanna atmete tief durch. Sie liebte tatkräftige Frauen. Dass Kuhl
nicht aus dem Stand mit den ganz großen Geschützen auffahren würde, sondern die
Einzelheiten vorab exakt prüfen wollte, konnte sie nachvollziehen. Noch
bewegten sie sich auf dünnem Eis – Schlussfolgerungen, die aus
Übereinstimmungen und Verdachtsmomenten abgeleitet waren, ersetzten noch lange
keine Beweiskette, aber sie konnten ihr vorausgehen. Sollte sich ihr Verdacht
bestätigen, würde es einen gewaltigen Wirbel geben, und auf das Medienecho war
sie nicht gerade scharf.
»Der Wolfsburger Kollege Mareni ist gestern Abend noch in die
Diskothek gefahren, in der Celik an jenem Abend war – er wird sich sicherlich
demnächst melden«, ergänzte Johanna. »Außerdem erwarte ich in Kürze die
Rechercheergebnisse meiner Berliner Kollegin … Bevor ich es vergesse: Ich
beantrage mindestens zwei Leute, die mir zur Hand gehen. Es dürfen auch drei
sein.«
Kuhl lachte leise auf. Das erste Mal während des Telefonats.
»Träumen Sie weiter.«
»Die Hoffnung stirbt zuletzt. Habe ich eigentlich schon erwähnt,
dass ich nicht an die Selbstmordabsichten der Polizisten glaube?«
»Nicht ausdrücklich, aber ich denke, Sie tippen auf klug
eingefädelte Morde?«
»Genau. Stellen Sie sich vor – die Huhlmann hatte Höhenangst. Wie
wahrscheinlich ist es, dass sie sich ausgerechnet auf die Art umbringt, die sie
die größte Überwindung kostet?«
Johanna ging nach Beendigung des Telefonats mit ihrer Kaffeetasse
auf den Balkon und blickte hinunter in den friedlichen Park. Wenn wir wissen,
mit wem die Polizisten sich warum eingelassen haben, stoßen wir auch auf ihre
Mörder, dachte sie. Sie sah auf die Uhr. Mareni würde sie bald in seinem Büro
erwarten. Sie war gespannt, ob seine Fotosuche Früchte getragen hatte.
Sein Gesichtsausdruck schwankte zwischen Besorgnis, Anspannung
und Stolz, während er seine Vorgehensweise kurz erläuterte und mehrere Fotos vor
Johanna ausbreitete. Sie hatte den Eindruck, dass er seinen Ermittlungserfolg
aus Rücksicht auf Ansdorf herunterspielte.
»Der Mann taucht auf mehreren Bildern auf«, erklärte Mareni und wies
auf einen groß gewachsenen Typen mit kurzem hellem Haar. »Celik war vor einer
halben Stunde hier, um sich drei Dutzend Bilder anzusehen. Den hat er sofort
herausgefischt. Er ist richtig bleich geworden.«
»Haben wir irgendetwas zu dem Typen?«
Mareni nickte. »Ja. Er heißt Holger Bihl, sechsundzwanzig Jahre alt,
in Vorsfelde geboren, gelernter Maurer, zurzeit arbeitslos, wohnt am Laagberg.
Wurde unlängst bei einer Kneipenschlägerei und bei Ausschreitungen am Rande
eines Fußballspiels festgenommen.«
Johannas Puls war merklich gestiegen. Sie hatten zum ersten Mal
einen Namen. »Das haben Sie ganz hervorragend gemacht, Mareni.«
Der lächelte nur kurz und wich ihrem Blick dann aus.
»Ich denke, ich weiß, was in Ihnen vorgeht«, bemerkte sie. »Mir
ginge es wohl ähnlich, wenn ich so viele Jahre an Ansdorfs Seite gearbeitet
hätte. Aber –«
»Ja, schon gut«, wehrte Mareni rasch ab. »Wie gehen wir vor?
Befragen wir Bihl einfach so?«
Johanna lehnte sich zurück. Gute Frage. »Auch wenn man es mir nicht
auf den ersten Blick ansieht – ich bin unbedingt für behutsames Vorgehen und
sensibles Herantasten. Es ist gut möglich, dass Ansdorf nicht der einzige
Polizist war, der Mist gebaut
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