Berlin Wolfsburg (German Edition)
wegwerfende Handbewegung. »Die
Welt ist verrückt, das kann man nie wissen. Ehe man sich versieht, hat man sich
Feinde gemacht und weiß nicht mal, woher der Wind weht.«
»Wenn Sie das sagen …« Bihl musterte sie mit forschendem Blick, den
Johanna gleichmütig zurückgab, und sah kurz zu Mareni. »War es das?«
»Ja, durchaus. Vielleicht bitten wir Sie noch mal in die
Polizeiinspektion.« Johanna stand auf. »Sie wissen schon – Protokoll et
cetera.«
»Können wir machen – kein Problem«, versicherte Bihl.
Im Flur hing neben der Wohnungstür eine Korkwand, an der ein
Wäscherei-Abholschein neben verschiedene Visitenkarten gepinnt war:
Autowerkstatt, Zahnarzt, Hausmeister, Jobcenter, Videoladen. Der Mann ist
verdammt ordentlich, dachte sie und stutzte, während Bihl die Tür öffnete. Sie
warf einen zweiten Blick auf die Korkwand. »Danke für Ihr Verständnis«, sagte
sie dann und schlüpfte hinter Mareni aus der Tür.
»Und? Was halten Sie von ihm?«, fragte der, als sie im Auto saßen.
»Gehört er zu den Schlägern?«
»Er wirkt selbstsicher und ist freundlich, aber …« Johanna strich
sich übers Kinn. »Wenn Sie mein Bauchgefühl meinen: ja, durchaus denkbar.«
»Meinen Sie, dass er den Braten gerochen hat?«
»Ich kann mir gut vorstellen, dass er auf der Hut ist. Es wäre gut,
ihn im Auge zu behalten.«
»Für eine Observierungsmaßnahme reicht Celiks Hinweis allein aber
nicht aus«, wandte Luca Mareni ein.
»Nein? Das sehe ich anders. Es kommt drauf an, wie man das
formuliert und gewichtet … Holger Bihl leiht seine Filme übrigens im selben
Videoladen wie die Huhlmann aus.«
»Echt? Aber das muss nichts heißen.«
»Nein.« Johanna lächelte. »Natürlich nicht.« Sie zog ihr Handy
hervor, das den Eingang einer SMS signalisiert
hatte, und schnallte sich an. »Fahren Sie mich zurück?«
»Klar. Und dann? Wie geht es weiter?«
»Ich muss dringend ausführlich telefonieren, und ich schlage vor,
inzwischen achten Sie darauf, ob Bihl in nächster Zeit aufbricht und wohin es
ihn treibt. Und falls Ihnen beim Warten langweilig wird – denken Sie doch mal
darüber nach, ob bei Ansdorf das Geld locker saß. Oder wer genauer darüber
Bescheid wissen könnte. Wir telefonieren zwischendurch und treffen uns dann
später in Ihrem Büro, um die Ergebnisse zusammenzutragen und die weitere
Vorgehensweise zu besprechen.«
»So was in der Richtung hab ich mir schon fast gedacht«, murmelte
Mareni, aber immerhin strich er sich zur Abwechslung mal wieder die Locken
zurück. Johanna hielt das für ein gutes Zeichen.
»Endlich«, sagte Johanna. »Wird ja auch Zeit …«
»Nun mal halblang!«, frotzelte Tony Gerlach zurück. »Wir haben
gestern Morgen telefoniert, und dein Auftrag hat mich fast eine komplette
Nachtschicht gekostet! Und wenn ich demnächst Ärger kriege, weil ich es mit dem
Datenschutz mal wieder nicht so genau genommen habe …«
»Ja, ja, ich lege meine schützende Hand über dich, versprochen!
Meine Güte, war das wirklich erst gestern?« Johanna ließ sich auf den Stuhl vor
dem zierlichen Schreibtisch in ihrem Hotelzimmer fallen und wechselte mit dem
Handy ans andere Ohr. »Ich hätte schwören können, dass ich mindestens seit
einer Woche hier bin … Hast du was entdeckt?«
»Hab ich«, gab Tony knurrig zurück. »Ob du damit was anfangen
kannst, sei mal dahingestellt, aber du wolltest, dass ich ein bisschen
herumschnüffle. Das habe ich getan – übrigens weit über die sechs Monate
hinaus, die du vorgegeben hattest –, um schließlich auf zwei interessante
Sachen zu stoßen, die bislang nicht zur Sprache gekommen sind. Ich fange mal
mit Bernd Lange an. Unser KDD -Kollege hatte im
letzten Jahr ein internes Verfahren am Hals.«
»Ach?«
»Ja, genau. Es wurde zwar wieder eingestellt und wanderte
großzügigerweise auch nicht in seine offizielle Personalakte, aber lustig ist
so was nie, weil immer etwas hängen bleibt – jedenfalls wenn man beim
Nachforschen alle Register zieht, so wie ich jetzt. Erst wollte keiner so
richtig mit der Sprache rausrücken, aber schließlich hat mir jemand – den Namen
darf ich nicht nennen und das tue ich auch nicht – klammheimlich ein Protokoll
weitergeleitet, aus dem hervorgeht, dass Lange Scheiße gebaut hat, um es
volkstümlich auszudrücken, und zwar ausgerechnet im Scheidner-Fall.«
Johanna runzelte die Stirn. »Wie jetzt?«
»Ich hab dir doch erzählt, dass die Frau von Staatsanwalt Robert
Scheidner vergewaltigt wurde,
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