Berlin Wolfsburg (German Edition)
bereitgestellt.«
Johanna schwieg einen Moment. Dann erläuterte sie kurz den
Zwischenstand der Befragung von Stefan Muth und beendete das Gespräch. Mareni
trat wieder ein und brachte ihr einen Kaffee. »Nicht schlecht, wie Sie den
Jungen zum Reden gebracht haben.«
»Danke.«
»Sie wirken düster.«
Johanna winkte ab. »Wundert Sie das? Danke übrigens für den Kaffee.«
»Ich hab noch mehr. Ich meine: Neuigkeiten.« Er drehte sich um und
wies auf den Laptop. »Berlin hat sich gerade gemeldet. Die haben in Muths
Wohnung Hinweise auf ein Wochenendhaus gefunden und sehen sich dort gerade um.«
Mareni ordnete seine Locken. Zum ersten Mal an diesem Tag, meinte Johanna sich zu
erinnern. Die Geste entlockte ihr ein Lächeln.
»Ein Techniker hat etwas Interessantes entdeckt und schon mal vorab
weitergeleitet«, fuhr er fort.
Das war ungewöhnlich. Johanna stellte ihre Tasse ab.
»Ein Notizheft. Muth hatte es in seinem Schuppen hinter einen Balken
geschoben. Sie haben es bereits eingescannt und mailen es uns und den
Braunschweigern gerade rüber.«
Auf den ersten Blick sahen die Eintragungen völlig harmlos aus.
Unter den Überschriften Pferde, Boxen, Fußball, Autorennen und Eishockey hatte
Muth sich seitenlang Quoten, Einsätze sowie Verluste und Gewinne in einer
Tabelle notiert und hier und da mit erläuternden Anmerkungen zur Verfassung
einzelner Sportler und Pferde versehen. Alles in allem dürfte er in den
vergangenen zwei Jahren ein hübsches Zubrot im knapp fünfstelligen Bereich
verdient haben. Wie es aussah, betrieb Muth das Ganze just
for fun und hatte auch keine Suchtstruktur entwickelt – sofern die
Aufzeichnungen stimmten und es keine weiteren Hefte gab, in denen seine Quote
unter Umständen weniger gut aussah. Aber das hielt Johanna für
unwahrscheinlich.
Interessant wurde es im zweiten Teil des Büchleins. Statt
klangvoller Pferdenamen oder Spielpaarungen standen in der ersten Spalte nun
die Abkürzungen JR, BL, KV, GA, UH, HM , gefolgt
von Datumsangaben, Adressen und Einzelbeträgen zwischen tausend und fünftausend
Euro. Wer das Heftchen ahnungslos durchblätterte, würde kaum etwas anderes
dahinter vermuten als ein weiteres Wettspiel.
Mareni pfiff leise durch die Zähne. »Damit dürfte ja alles klar
sein, oder? Ich wette, dass wir die Datumsangaben mühelos einer Gewalttat im
Umkreis der aufgeführten Straßen zuordnen können. Die Kollegen, die die
einzelnen Fälle aufrollen müssen, werden sich freuen.« Er lächelte und tippte
dann auf das letzte Kürzel. »Wer ist HM ?«
»Jemand aus Braunschweig«, erwiderte Johanna zögernd.
»Hab ich was verpasst, oder trauen Sie mir nicht mehr?«
Die Frage war berechtigt. Johanna nickte. »Staatsanwältin Hannelore
Maurer. Sie wurde erpresst und kooperiert mit uns. Sie hat kein Geld erhalten,
wie Sie der Auflistung entnehmen können. Kuhl hofft, und ich teile ihre
Ansicht, dass wir mit den Ermittlungen weiterkommen, wenn Maurer auf freiem Fuß
bleibt und beobachtet wird beziehungsweise Polizeischutz erhält. Das sollte
übrigens alles unter uns bleiben – so weit es geht.«
»Ich verstehe. Seit wann wissen Sie das eigentlich?«
»Seit meinem Gespräch vorhin mit Kuhl. Apropos Maurer: Hat sich Ihr PC -Spezialist eigentlich schon gemeldet?«
Mareni schüttelte den Kopf und sah auf die Uhr. »Ans Telefon geht
der jetzt garantiert nicht – er ist ein Nachtmensch und schläft noch oder sitzt
jetzt beim Frühstück und will nicht gestört werden. Wir müssen uns gedulden.
Sobald er was hat, meldet er sich.«
»Gut. Dann legen wir Muth das Heftchen vor. Mal sehen, was er dazu
sagt.«
***
Leif Barlon schlürfte seine dritte Tasse Kakao. Dazu aß er
Croissant mit Frischkäse und Himbeermarmelade – der reinste Zuckerschock, und
ein Hochgenuss obendrein. In Barlons Familie gab es keine Diabetiker, darum
schob er etwaige Befürchtungen gelassen beiseite. Die meisten Krankheiten waren
seiner Ansicht nach ohnehin auf eine genetische Disposition zurückzuführen,
einschließlich aller Psychomacken. Zwei Alkoholiker hatten sich um den Verstand
gesoffen – sein Vater und eine Cousine –, Schlaganfälle und Bronchitis waren
neben einer Neigung zu Schwerfälligkeit, Rheuma und Bierbauch auch vertreten,
doch von Diabetikern weit und breit keine Spur. Da Barlon unverheiratet war und
selten eine feste Beziehung hatte, gab es auch niemanden, der auf seine
Essgewohnheiten Einfluss nehmen konnte. Und das war auch gut so. Er grinste und
beugte sich zum Monitor
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