Berlin Wolfsburg (German Edition)
vor.
Das Bildbearbeitungsprogramm lief jetzt zum dritten Mal durch, und
das Ergebnis konnte sich sehen lassen. Ein gelb-rotes Firmenlogo hatte sich aus
dem Einerlei der grau-schwarzen Farbnuancen herausgeschält – kein
C&A-Etikett und auch kein Krokodil, wie die Kommissarin befürchtet hatte.
Leif Barlon war ziemlich sicher, dass Mareni oder seine Kollegen etwas damit
anfangen konnten. Er schob sich das letzte Stück Croissant in den Mund und
griff zum Telefon.
»Grad haben wir von dir gesprochen«, begrüßte ihn Luca. »Ich hätte
wetten können, dass du noch schläfst.«
»Wette verloren! Ich maile euch mal was rüber. Könnte mir
vorstellen, dass ihr dazu was in euren Datenbanken findet.«
»Super – danke dir!«
»Rechnung kommt.«
»Klar.«
***
»Komfortbau«, las Mareni und hob die Schultern. »Irgendeine
Baufirma. Er blickte auf und sah Johanna an, die bereits in der offenen Tür
stand. »Klingelt da was?«
»Nicht das Geringste. Aber das muss nichts heißen. Schicken Sie die
Datei meiner Kollegin Tony Gerlach – mit Dringlichkeit. Die liebt solche
Aufgaben.« Allerdings nicht gerade am Wochenende, fügte Johanna in Gedanken
hinzu.
Kurz darauf saßen sie wieder zu dritt im Vernehmungsraum.
»Unsere Berliner Kollegen haben einen hochinteressanten Fund
gemacht«, erklärte sie ohne Umschweife und legte Muth die Ausdrucke seines
Heftes vor. Diesmal war er vollkommen perplex.
»Tja, wissen Sie, man kann noch so superschlau sein«, hob Johanna
wieder an und suchte seinen Blick. »Irgendwas fällt einem dann doch, womöglich
zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, vor die Füße, und sei es ein harmlos
anmutendes Heftchen. Die eine oder andere Notiz macht sich jeder mal, nicht
wahr? Ich schreibe mir bereits einen Einkaufszettel, wenn ich mehr als vier
Artikel brauche, aber das nur so nebenbei. Wer schreibt, der bleibt, hat meine
Großmutter immer gesagt … Kennt man den Spruch eigentlich heutzutage noch?«,
fügte sie leutselig hinzu.
Mareni nickte mit leisem Schmunzeln, Muth kniff die Lippen zusammen.
»Wie dem auch sei … Offensichtlich haben Sie das Risiko der
Entdeckung unterschätzt nach all der Zeit, in der Sie immer unbehelligt
blieben, sonst hätten Sie das Büchlein wohl kaum aufgehoben, oder wie darf ich
mir diesen Fund erklären?«
Muth warf ihr einen entnervten Blick zu. »Ich hab nicht damit
gerechnet, nein. Was wollen Sie – dass ich Ihnen gratuliere? Wie sind Sie
überhaupt auf das Gartenhaus gekommen?«
»Müsste ich die Berliner Kollegen fragen. Vielleicht lag irgendwo
bei Ihnen eine Rechnung über Gartengeräte herum oder Ähnliches, vielleicht hat
ein Nachbar etwas mitbekommen«, erörterte Johanna, und ihrer Stimme war
anzuhören, dass sie ihre Zufriedenheit über den Ermittlungserfolg ungeniert
auskostete.
»Es sind häufig die Kleinigkeiten, über die gerade hervorragend
organisierte Leute wie Sie stolpern«, antwortete sie bereitwillig. »Die
Aktivitäten Ihrer Gruppe werden seit Jahren bis ins kleinste Detail sorgfältigst
geplant und vorbereitet. Sie hinterlassen keine auffälligen Mails und bewegen
sich nur mit höchster Vorsicht im Internet, Sie telefonieren umsichtig, Sie
verwischen sehr gekonnt alle möglichen Spuren und bedienen sich dabei
professioneller Hilfe, Sie finanzieren Ihre Verbrechen durch andere Verbrechen,
während Sie Ihrem bürgerlichen Tagesgeschäft nachgehen … und so weiter und so
fort. Alles nahezu perfekt, aber dann kommen wir Ihnen doch auf die Schliche,
eins fügt sich ins andere. Schließlich müssen wir nur noch eins und eins
zusammenzählen und finden dabei ein Heft mit penibel geführten Listen, in denen
neben Ihren Wettspielchen die bestochenen Beamten tabellarisch erfasst sind,
sogar ihre Einsätze in Ihrem Auftrag nachvollziehbar werden und die
Auszahlungen sich erschließen. Und angefangen hat alles mit einem Telefonat,
das Ulrike Huhlmann am Tag nach Günther Ansdorfs Tod mit Ihnen geführt hat. Ist
schon komisch, oder?«
Aber Muth fand das alles andere als erheiternd.
Der Einzige, der bemerkenswert selten auftaucht, ist Volker Dorn,
dachte Johanna. Zu ihm führten nur der Kredit und die Tatsache, dass er mit
allergrößter Wahrscheinlichkeit Stefans Vater war. Ansonsten existierten
bislang keinerlei Verbindungen, und wenn Muth Pech hatte und Dorn so schlau
war, wie es den Anschein erweckte, würden sie ihm nichts anhaben können.
»Was wollten Sie eigentlich letzte Nacht in Wolfsburg – oder in
Braunschweig?«, fragte
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