Berlin Wolfsburg (German Edition)
Marie Rauth ihre Einkäufe ins Haus gebracht hatte,
und gab noch fünf Minuten obendrauf, bevor sie aus dem Wagen stieg und
klingelte.
»Sie schon wieder?« Das klang alles andere als einladend.
»Tut mir leid, Frau Rauth«, sagte Katryna entschuldigend. »Aber es
hat sich noch eine wichtige Frage ergeben, die nicht warten und auch nicht
telefonisch erörtert werden kann. Darf ich hereinkommen?«
Die Witwe stützte sich einen Moment am Türrahmen ab, dann trat sie
beiseite. »Na schön. Kommen Sie. Die Kinder sind unterwegs. Aber machen Sie es
bitte kurz.«
Katryna lächelte höflich und folgte der Frau in die Küche. Wenn du
wüsstest, dass ich dir laut Johanna Krass so richtig auf den Zahn fühlen soll,
fuhr es der LKA -Beamtin durch den Kopf. Die
Einkaufstüten standen auf dem Tisch, der offenstehende Kühlschrank summte.
Marie Rauth räumte Lebensmittel ein und warf der Kommissarin einen
auffordernden Blick zu. »Also? Was ist noch so wichtig?«
»Robert Scheidner war hier, bevor die Polizei eintraf, nicht wahr?«,
begann Katryna in gleichmütigem Tonfall.
Marie Rauth stopfte den Salat ins Gemüsefach und drehte sich langsam
um. »Ja. Das erwähnte ich doch schon mehrfach. Warum ist das plötzlich –«
»Wie lange ungefähr?«
»Ich weiß es nicht genau – einige Minuten? Eine Viertelstunde?«,
schätzte sie. »Das kann ich wirklich nicht genauer sagen. Was ist denn so
wichtig daran?«
Katryna überging die Frage. »Was hat er gesucht?«
»Wie bitte?«
»Ich frage Sie, was Robert Scheidner im Zimmer Ihres Mannes gesucht
hat«, wiederholte Katryna.
»Frau Kommissarin, ich glaube, Sie verwechseln da was. Der Mann aus
dem Videoladen hat –«
»Frau Rauth, ich bin nicht bescheuert«, unterbrach Katryna sie
beherzt und mit deutlich erhobener Stimme. »Was hat Robert Scheidner im Zimmer
Ihres Mannes gesucht? Und ich möchte Ihnen den heißen Tipp geben, nicht zu
lügen!«
Die Witwe starrte Katryna einen Augenblick verwirrt an und schob die
Kühlschranktür zu. Dann trat sie an den Küchentisch und setzte sich. Sie
stützte den Kopf in die Hände. »Nichts hat er gesucht«, sagte sie leise. »Ich
persönlich habe ihn gebeten, sich bei Jörg umzusehen – mit den Augen des
Staatsanwalts. Ich hatte Angst, dass mein Mann … irgendwelchen Mist gebaut
hatte. Es war alles so merkwürdig gewesen in der Zeit davor, und ich wollte
sichergehen, dass er nichts angestellt hatte.« Sie blickte hoch. »Verstehen
Sie? Das hätte ich nicht auch noch ertragen.«
Katryna setzte sich unaufgefordert zu ihr. »Ja, ich verstehe. Wie
lange war er oben?«
Sie schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
»Was hat er gefunden?«
»Nichts.«
Katryna hob eine Braue.
»Er sagte, da sei nichts, ich könnte ganz beruhigt sein«,
bekräftigte die Witwe. »Dann habe ich die Polizei gerufen.«
»Überzeugte Sie seine Aussage?«
Rauth ließ die Hände sinken. »Frau Kommissarin, mein Mann hatte sich
erschossen – ich war völlig von der Rolle! Glauben Sie allen Ernstes, ich hätte
darauf geachtet, ob Robert mir etwas verheimlicht? Und selbst wenn …«
»Ich verstehe. Danke, Frau Rauth.«
Katryna stand auf, verließ eilig das Haus und setzte sich zum
Telefonieren ins Auto.
***
»So was habe ich mir gedacht«, entgegnete Johanna nach Katryna
Nowaks Kurzbericht. »Und wir werden niemals beweisen können, dass er die Kopien
hat oder hatte. Er wird nicht so dämlich sein, sie irgendwo aufzubewahren.«
»Was macht Sie eigentlich so sicher?«
Gute Frage, dachte Johanna. Vielleicht bin ich nur froh, einer Spur
nachgehen zu können. »Sicher bin ich nicht, aber stutzig: Scheidner taucht
mehrfach auf bei der ganzen Sache – wobei mir zwei Aspekte besonders zu denken
geben. Zum einen hat Scheidner verneint, als ich ihn ganz am Anfang der
Ermittlungen noch in Berlin während eines Telefonats fragte, ob er Bernd Lange
kennen würde oder ihm der Name etwas sage. Ich habe diesen Aspekt zunächst
beiseitegeschoben, weil er nicht bedeutsam schien, aber jetzt bekommt er
Gewicht. Ich denke, dass er nicht über ihn sprach, weil er zu diesem Zeitpunkt
längst wusste, was der Mann verbrochen hatte, und mich auf keinen Fall zu
weitergehenden Fragen ermuntern wollte. Die Entschlüsselung der Namenskürzel
der Beamten und der Hinweise auf die Taten dürfte ihm keine allzu große Mühe
bereitet haben, und von den aufgelisteten Geldbeträgen auf Korruption zu
schließen erfordert nicht allzu viel Phantasie bei einem Staatsanwalt.«
»Er wusste
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