Berlin Wolfsburg (German Edition)
also, was da lief.«
»Er dürfte verstanden beziehungsweise herausgefunden haben, dass
eine große Sauerei in Gang war, in deren Zusammenhang seine Frau ein Opfer
war«, bestätigte Johanna.
»Und warum hat er dann nicht als Staatsanwalt gehandelt?«, fragte
Nowak.
»Vielleicht hat er sogar darüber nachgedacht«, grübelte Johanna. »Am
Anfang jedenfalls.«
Sie schwiegen beide einen langen Augenblick.
»Und der zweite Aspekt, der Sie stutzig macht?«, nahm Katryna Nowak
schließlich den Gesprächsfaden wieder auf.
»Eine Beamtin, die auch auf der Liste steht, lebt noch. Sie bekam
kein Geld, sie wurde erpresst«, antwortete Johanna. »Aber ich halte es für
möglich, dass sie davongekommen ist, weil Scheidner durch mich erfahren hat,
dass die Fälle neu aufgerollt werden und sich sogar das BKA eingeschaltet hat.«
»Und was ist mit dieser Unbekannten, die Sie fotografiert haben?«
»Vielleicht hat sie mit all dem gar nichts zu tun. Oder es gibt eine
Verbindung zu Scheidner oder zu jemandem, den Scheidner kannte.«
Nowak schwieg erneut. »Glauben Sie wirklich, dass der Mann –« Sie
brach ab. »Meine Güte. Ich wage gar nicht, den Gedanken zu Ende zu denken.«
»Ich weiß, wie verrückt sich das anhört – immerhin geht es um vier
Morde. Aber ehrlich gesagt: Da passt einiges zusammen, was vorher nirgendwo
hinpasste und worüber ich mit ihm reden möchte«, erklärte Johanna. »Nein –
reden muss! Und ich bin sehr gespannt, wie er reagiert. Vielleicht hat er eine
hinreißend logische Erklärung. Dann erleben Sie mich heilfroh. Vielleicht gibt
er zu, die Auflistung weitergegeben zu haben oder bietet eine Erklärung an, die
diese Schlussfolgerung zulässt. Unter Umständen streitet er alles ab, voller
Empörung womöglich, und wiederholt lediglich, was er der Witwe bereits sagte.
Dann haben wir nichts gewonnen. Das ist mir schon klar. Und ich habe einen
Arsch voller Probleme, um es mal rustikal zu formulieren.«
»Ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken«, meinte Nowak. »Das kann
richtig ins Auge gehen.«
»Danke für Ihre tröstlichen Worte.«
»Gerne.« Sie räusperte sich. »Ach – noch was: Dieses Firmenlogo auf
der Kapuze konnte Antonia Gerlach einer Berliner Baufirma zuordnen. Ich habe da
vorhin mal angerufen, als ich die Info erhielt – wir sind nicht die Einzigen,
die am Wochenende arbeiten müssen. Der Geschäftsführer sagte mir, dass diese
Kapuzenpullover und Jacken sehr beliebt sind und jeder Mitarbeiter die
Möglichkeit hat, die Dinger nachzukaufen und zu verschenken zum Beispiel, wovon
reichlich Gebrauch gemacht wird. Es könnte sein, dass diese Spur in eine
Sackgasse führt oder sich zur berühmten Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen
entwickelt.«
»Schade.«
»Ja. Aber noch ist nicht aller Tage Abend.«
»Beruhigt mich zu hören.«
»Das Foto, das uns von der Unbekannten vorliegt, ist nicht sehr
aussagekräftig …«
»Sie hätten es mal vor der Bildbearbeitung sehen sollen«, wandte
Johanna ein.
»Okay, ich nehme die Kritik zurück«, erklärte Katryna Nowak
bereitwillig. »Doch worauf ich hinauswill … Ich möchte auf keinen Fall etwas
versprechen, aber ich habe das eigentümliche Gefühl, dass ich das Gesicht schon
mal irgendwo gesehen habe.«
»Ernsthaft?«
»Ja. Ich werde darüber nachdenken. Mein Gedächtnis für Gesichter ist
normalerweise ganz gut, auch wenn eine Begegnung bereits länger zurückliegt.«
»Prima. Vielleicht haben wir Glück. Hat sich bezüglich Volker Dorn
schon etwas ergeben?«, schob Johanna nach.
»Soweit ich weiß, steht er bereits unter Beobachtung des
Staatsschutzes.«
»Da gehört er auch hin.«
»Viel Glück, Kommissarin Krass.«
Kann ich gebrauchen, dachte Johanna.
Samthof erteilte kurz darauf seine Zustimmung zu einem Gespräch
mit Scheidner, aber sie hörte seiner Stimme an, wie sehr ihm das Einverständnis
Magenschmerzen bereitete und er hoffte, dass Johannes Verdacht sich als
Seifenblase entpuppte. Das hoffe ich auch, dachte sie. Der Mann hat genug
durchgemacht, eigentlich möchte ich ihn gar nicht behelligen.
Bevor sie sich auf den Weg nach Hildesheim machte, besprach sie sich
mit Annegret Kuhl und Mareni, der in Wolfsburg die Stellung halten würde.
Sowohl Stefan Muth als auch Holger Bihl waren bereits an die Kollegen vom
Staatsschutz übergeben worden, zusammen mit dem Filmmaterial und den
Vernehmungsprotokollen.
Inzwischen war es später Nachmittag. Auf einigen Straßen sah es nach
dem nächtlichen Unwetter immer noch
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