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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Jörgass und hält ärgerlich den Zettel hoch, auf dem sie den Namen notiert hat. »Eine Anruferin behauptet, im Fall des Toten von heute Nacht gebe es einen Zeugen, über den der Staatsschutz näher Bescheid wisse, aber ihren Namen will sie nicht nennen.«
    »Wo ist das Problem?«, fragt Jörgass zurück. »Ruf halt die Kollegen vom LKA Fünf an. Vielleicht kriegst ja du von denen mal eine Auskunft.«
    J ustizsenator Holger Missenpfuhl ist groß, hält sich straff und wirkt mit seinen kurzen grauen, nach vorne gekämmten Haaren geradezu cäsarisch, ein Eindruck, der sich seit seinem vor kurzem erfolgten Aufstieg in den Senat – also in die Regierung des Landes Berlin – noch verstärkt hat. Zu seinen Ritualen gehört, dass er Besucher erst eintreten lässt und sich dann hinter seinem Schreibtisch erhebt, so dass die Entfaltung von Missenpfuhls 190 Zentimetern in ganzer Länge verfolgt werden kann.
    »Ich danke Ihnen sehr, dass Sie so rasch kommen konnten«, sagt er, greift sich die rechte Hand von Dagmar Wohlfrom-Kühn und deutet eine Verbeugung an, die aber wiederum von einem angedeuteten Handkuss sehr weit entfernt bleibt.
    »Sie haben mich einbestellt.«
    »Nein, nicht einbestellt«, widerspricht Missenpfuhl und weist einladend zum Besprechungstisch. »Ich bitte Sie! Ich möchte Ihnen vielmehr eine Entscheidung erläutern, die ich nach Rücksprache mit dem Regierenden Bürgermeister getroffen habe. Der Generalstaatsanwalt ist bereits angewiesen, diese Entscheidung umzusetzen …«
    Die Staatsanwältin blickt auf und betrachtet ihn aus Augen, die sehr schmal geworden sind. Der Generalstaatsanwalt ist ihr Dienstvorgesetzter, wenn er etwas umzusetzen hat, was zuvor mit dem Regierenden Bürgermeister besprochen wurde, dann kann dies nur eine personelle Entscheidung sein. Nichts anderes.
    »Es handelt sich hier – um das vorab klarzustellen – weder um eine politische Frage noch um eine solche der Dienstaufsicht«, fährt Missenpfuhl fort, noch immer am Besprechungstisch stehend. »Aber setzen wir uns doch!« Die Staatsanwältin nimmt zögernd Platz, danach setzt sich auch der Senator. »Wie ich eben sagte – keine politische Entscheidung, nichts, das die Dienstaufsicht tangieren würde … Wir sind allein durch unsere Fürsorgepflicht gezwungen, Sie aus der Schusslinie zu nehmen, das ist – entschuldigen Sie bitte – auch durchaus wörtlich gemeint …«
    »Sie entziehen mir den Fall Harlass«, stellt die Staatsanwältin klar, »das sollte mich nicht überraschen und tut es doch.« Sie setzt sich sehr aufrecht, die Hände auf dem Tisch übereinander gelegt, und betrachtet den Justizsenator wie ein besonders abscheuliches Exemplar menschenähnlicher Wesen.
    »Ich kann Ihnen gerade nicht ganz folgen«, sagt Missenpfuhl, die Augenbrauen leicht angehoben.
    »Ganz ausgezeichnet können Sie mir folgen«, fährt ihn die Staatsanwältin an. »Wem habe ich den Fall zu übergeben?«
    »Der Generalstaatsanwalt wird wohl Ihren Kollegen Meusebach …«
    »Ah!« In der Stimme der Staatsanwältin vibriert ein mit äußerster Anstrengung unterdrückter Zorn. »Meusebach! Der rasende Roland Meusebach! Wunderbar. Es dauert vielleicht nur noch Stunden, und dieser Lutz Harlass sitzt hinter Schloss und Riegel. Aber bevor das geschieht, entziehen Sie mir den Fall, ganz schnell tun Sie das, damit es dann der Meusebach sein wird, der sein Gesicht in die Kameras halten und die Festnahme verkünden wird! Damit jedermann weiß, die Wohlfrom-Kühn, die kann es nicht, das hat der Meusebach machen müssen … So ist Ihre Fürsorge gedacht!« Sie hebt die Hand und deutet mit dem ausgestreckten Zeigefinger anklagend auf Missenpfuhl. »Ihre Fürsorge für den Regierenden Bürgermeister, um das Kind doch einmal beim Namen zu nennen!«
    Missenpfuhl schüttelt den Kopf. »Sie stehen unter einer besonderen Anspannung, das verstehe ich, das respektiere ich. Ich nehme deshalb Ihre Worte hin, und zwar so, wie ich das unter anderen Umständen nicht tun würde.« Er beugt sich nach vorne und legt beide Hände auf den Tisch, die Handflächen nach oben, als wolle er nun alles auf den Tisch legen. »Verstehen Sie doch – Sie haben die Anklage im ersten Verfahren gegen Harlass vertreten, Sie haben das sehr engagiert getan, so wie Sie das immer tun. Es liegt auf der Hand, dass Sie den besonderen Hass dieses Menschen auf sich gezogen haben müssen, und weil das auf der Hand liegt, müssen wir Sie aus diesem Verfahren herausnehmen. Keinesfalls darf der

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