Berndorf 07 - Trotzkis Narr
etwas erklärt werden muss, »Fakt ist, wir haben zwei Tote, die vermutlich mit einer russischen Jarygin-Pistole erschossen wurden, und einen Toten, der mit Brandbomben … also ja, das wissen Sie ja alles! Die beiden ersten Tötungsverbrechen stehen ohne Zweifel in einem Zusammenhang, ob der dritte Tote dazugehört, wird sich zeigen. Aus übergeordneten Gründen möchte ich dies erst einmal grundsätzlich offen lassen …« Unvermittelt bricht Meusebach ab, beugt sich vor und nimmt die Kriminalbeamtin Lena Quist am anderen Ende des ovalen Besprechungstisches ins Visier. »Die junge Kollegin hat eine Frage oder – wie mir scheint – sogar einen Einwand?«
»Ich bitte um Entschuldigung«, sagt Lena Quist, »aber ich hab das vorhin mit den Kontakten zwischen Harlass und diesem Patzert nicht verstanden.«
Meusebach blickt auffordernd zu Keith. »Ist Ihnen das nicht schon längst kommuniziert worden?«, fragt Keith zurück. »Aber bitte! Nach unseren Informationen gehörte Patzert einer Neonazi-Kameradschaft an, die ihren Schwerpunkt in Neukölln hat. Harlass scheint versucht zu haben, über Patzert dort aufgenommen zu werden.«
»Moment«, meldet sich Ulrich Jörgass, »wissen wir eigentlich, von wem wir das wissen? Nicht, dass Patzert selbst die Quelle war …«
»Worauf willst du hinaus?«, fragt Keith zurück.
»Sollten wir das von Patzert selbst erfahren haben«, sagt Jörgass, sehr sorgfältig und langsam artikulierend, »dann ist da draußen heute Nacht ein V-Mann des Staatsschutzes liquidiert worden. Und wenn das so ist – sollten uns dann die Kollegen vom Staatsschutz nicht Näheres dazu mitteilen?«
»Verehrter Kollege«, sagt Meusebach, »Sie sind gerade im Begriffe, das zu tun, was wir in der gegenwärtigen Situation unbedingt unterlassen sollten: Sie spekulieren! Sehen Sie – wir haben zwei Morde mit einem dringend Tatverdächtigen. Den sollten wir finden, meinen Sie nicht? Und wenn wir ihn haben, können wir ihn uns ja genauer ansehen. Wer mit Brandbomben um sich wirft, bei dem finden sich gerne Spuren und Anhaftungen von dem dabei verwendeten Öl- und Benzingemisch.« Er unterbricht sich und betrachtet die sorgfältig geschnittenen Nägel seiner breiten kurzfingrigen Hand. Dann blickt er wieder auf. »Im Übrigen werde ich mit dem Staatsschutz selbst sprechen und ihn um eine Liste mit möglichen Kontaktpersonen bitten, also von Leuten, die mit Patzert in Verbindung waren. Diese Leute wären dann aufzusuchen, und vielleicht können Sie zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen – dass Sie nämlich Hinweise sowohl auf die Person Harlass als auch auf die Motive für die Tötung des Patzert finden.« Meusebach senkt seinen Kopf und blickt Jörgass kampflustig an. »Ist Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet?«
Resigniert hebt Jörgass beide Hände und lässt sie wieder auf den Tisch fallen. Zwei Plätze weiter meldet sich Täubner. »Eins ist mir noch unklar.« Auf ein aufforderndes »Ja?« fährt er fort: »Die Frau Staatsanwältin hat uns gestern Nacht angewiesen, wir sollten uns noch einmal den Fundort Regulski ansehen und Taucher mitnehmen … Ich weiß jetzt nicht …«
»Bitte?«, fragt Meusebach zurück. »Habe ich Taucher verstanden? Taucher für einen Teich oder ein Fließ im Spandauer Forst? Was soll dort gefunden werden? Ein U-Boot aus dem Weltkrieg, mit dem Hitler abtauchen wollte, oder wie?«
Täubner richtet einen verlegenen Blick auf Keith. »Frau Wohlfrom-Kühn meinte …«, setzt der Hauptkommissar zögernd an, wird aber sofort von Meusebach unterbrochen.
»Es gebe dort noch andere Leichen, wie? Den bisherigen Akten kann ich aber nicht die Spur eines Hinweises entnehmen, dass wir solche zu suchen hätten. Ich wäre Ihnen allen deshalb sehr dankbar, wenn wir uns auf die konkret erreichbaren Fahndungsziele konzentrieren würden.«
H arlass betrachtet sich im Spiegel, den ihm die Friseurin hinhält, er hat jetzt zu seiner blau-violetten Backe weißblonde Haare und einen Mittelscheitel, damit sieht er beschissen aus und trotzdem nicht wie Dolf Patzert. Offenbar merkt die Fidschi oder Chinesin oder was sie ist, dass er nicht zufrieden ist. »Zu dunkel?«, fragt sie und berührt mit der Fingerkuppe seine rechte Augenbraue. Das lässt ihn zusammenzucken, er mag so etwas nicht, aber dann kommt sie auch schon mit einem Stift, um damit an den Augenbrauen herumzustreichen. Plötzlich hat Harlass das Empfinden, dass er sofort hier rausmuss, raus aus diesem winzigen versifften Salon mit dem
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