Berndorf 07 - Trotzkis Narr
langen Augenblick sagt überhaupt niemand etwas. Schließlich hört man eine Stimme, und die sagt: »Es war das Laub. Der Wind hat es über die Kreuzung geweht, verstehen Sie?« Verwundert stellt Karen fest, dass sie es ist, die das gesagt hat.
»Ja, ich verstehe«, sagt Tamar bedächtig und nimmt wieder einen Schluck. »Sogar sehr gut verstehe ich das. Ich muss gerade meine Blätter auch wieder einsammeln. Man braucht Zeit dazu.«
»Und dann komme ich und störe!« Karen versucht ein Lächeln. Sie hat das dumme Gefühl, dass es ihr nicht besonders gut gelingt. Nichts gelingt ihr an diesem Abend besonders gut. »Entschuldigen Sie!« Sie steht auf. »Und danke für den Kaffee!«
Donnerstag
K ein Morgen ist so grau wie der Morgen nach einer Nacht, in der man durchgearbeitet hat. Selbst die Luft riecht grau und noch mehr nach Büro, als Büro-Luft das sonst tut, in diesem Fall mit einer Anhaftung von verschmortem Plastik und von dem Eau de Cologne, das sich Lena Quist an die Schläfen getupft hat, damit sie ein wenig wacher wird.
»Irgendwie glaub ich nicht, dass das ein Rostocker Fall ist«, sagt Jörgass, nimmt einen Schluck aus seiner Cola-Flasche und stellt die Flasche wieder ins Seitenfach seines Schreibtischs. Es ist eine große Flasche und vor allem eine besonders preisgünstige aus einem Sonderangebot. »Ich glaub auch nicht, dass er überhaupt irgendwas mit Rostock zu tun hat. Der den Wagen auf diesen Bauplatz gefahren hat, der muss sich in dem Quartier ausgekannt haben, der hat vielleicht … Moment!« Er greift nach dem Telefonbuch. »Beim Bauverwaltungsamt müssten die doch wissen, wer die Baustelle eingerichtet hat?« Niemand antwortet, er blickt um sich, Lena Quist telefoniert, und Täubner arbeitet an einem Bericht.
Die erste Nummer, die Jörgass anruft, ist belegt, bei der zweiten erreicht er jemanden, der erklärt, er sei leider nicht zuständig und wisse auch nicht, wer sonst Auskunft geben könne. Er versucht es noch einmal bei der ersten Nummer, aber die ist noch immer belegt.
»Was hast du gesagt, was du herausfinden willst?«, fragt plötzlich Täubner. »Die Baufirma? Moment …« Täubner greift zu seinem Notizbuch, muss kurz blättern und nennt dann einen Firmennamen und eine Telefonnummer.
»Woher hast du das?«
»Da stand doch noch so ein Bauwagen rum …«
»Und?«
»Und?«, äfft ihn Täubner nach. »Da war der Name draufgemalt. Und die Nummer. Das machen die so.«
Jörgass zuckt mit den Schultern und will zum Hörer greifen. Dann sieht er den Blick von Lena Quist. Sie telefoniert nicht mehr, hat eine Notiz vor sich liegen und wartet offenbar darauf, dass sie auch was sagen darf. »Kätzchen«, fragt Jörgass, »hast wieder ’n Mäuschen gefangen?«
»Das Rostocker Nummernschild gehört zu einem Toyota«, sagt Lena Quist, »und der Toyota steht auf seinem angestammten Parkplatz in Rostock-Lichtenhagen. Jedenfalls heute Morgen stand er da.«
»Das Kennzeichen von unserer Grillwurst heute Nacht ist also falsch?«, fragt Jörgass. »Hab ich doch gleich gesagt.«
»Da ist noch was«, fährt Lena Quist fort. »Die Nummer des Fahrzeuggestells gehört zu einem BMW , der hier in Berlin auf einen Detlef Patzert zugelassen ist …«
»Hoppla«, sagt Jörgass und greift wieder zum Telefon. Er wählt, muss kurz warten, dann meldet sich Wolfgang Keith.
»Hör zu«, berichtet Jörgass, »das Rostocker Nummernschild ist ein Fake, und der BMW war vermutlich auf einen Detlef Patzert zugelassen … Hast du gehört?«
»Ja«, kommt es nach einer Pause. »Ja, ich hab ’ s gehört … Dann seht mal nach, ob es diesen Patzert noch gibt, und wenn nein, ob er einen Zahnarzt hat, und der hat vielleicht Röntgenaufnahmen vom Gebiss, so dass man einen Abgleich machen kann. Soviel wird vom Kopf ja noch übrig geblieben sein … Aber bis ihr mehr wisst, haltet die Sache unterm Deckel!«
»Ja doch«, wendet Jörgass ein. »Aber warum sagst du das so?«
»Darum.« Keith legt auf. Jörgass hält noch einen Augenblick den Hörer in der Hand, dann legt auch er auf. »Keith legt sich allmählich Chef-Allüren zu …«, sagt er in die Runde, aber es hört ihm niemand zu. Täubner blättert im Berliner Telefonbuch, Lena Quist hat einen Anruf entgegengenommen.
»Der Name ist Uwe Kappolt, mit zweimal Paula, habe ich das richtig notiert? Und darf ich Sie noch um Ihren Namen bitten …« Die Bitte ist offenbar erfolglos, denn Lena Quist legt ärgerlich den Hörer auf. »Was mach ich jetzt damit?«, fragt sie
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