Berndorf 07 - Trotzkis Narr
musste. Aber so schlecht ist das gar nicht. Und zwar deswegen nicht, weil er – das Rad zwischen den Beinen – gleichzeitig mit beiden Füßen auf dem Boden stehen kann.
Manchmal muss man mit beiden Füßen fest auf dem Boden stehen.
D er Lichtstrahl der kleinen Stablampe tastet über Motorhaube und Türschlösser des kleinen blauen französischen Autos, das freilich erst vor kurzem durch eine Waschanlage gefahren wurde. Wisch- oder andere Spuren sind nicht zu erkennen. Nur ist das Auto in seiner Parkbucht so zwischen zwei Großraumlimousinen eingeklemmt, dass Berndorf es sich gar nicht richtig anschauen kann. Immerhin lässt sich die Fahrertür so weit öffnen, dass Karen Andermatt hinters Steuer schlüpfen und mit dem Wagen aus der Bucht zurückstoßen kann.
Berndorf bittet sie, noch einmal den Motor abzustellen, und lässt sich neben dem Wagen auf allen vieren nieder und sucht mit Hilfe seiner Stablampe den Unterboden ab. Karen hat das Fenster der Fahrertür heruntergelassen und will ihm zusehen, wendet sich aber rasch ab. Das hochgestreckte Hinterteil eines alten Mannes ist ein alberner Anblick.
Schließlich stemmt Berndorf sich wieder hoch, steckt die Lampe ein und klopft sich die Hosenbeine ab. »Nichts zu erkennen«, sagt er zu Karen, geht um den Wagen und steigt – nachdem er einen Blick auf die Rückbank geworfen hat – auf der Beifahrerseite ein. »Ich würde jetzt gerne mit Ihnen zu einer Werkstatt fahren.« Er nennt die Adresse.
Karen zuckt mit den Schultern, aber sie fragt nicht nach, sondern startet den Wagen erneut und steuert ihn in Richtung Ausfahrt. Berndorf hat den Sicherheitsgurt angelegt und fühlt sich unbehaglich, denn er lässt sich ungern fahren, vor allem von jemand, den er nicht kennt. Und diese Frau da? Man wird sehen. Er hat sich noch kein Bild von ihr gemacht, eigentlich will er sich schon lange kein Bild mehr von jemandem machen. Bis man es besser weiß, sollte genügen, was ein Mensch freiwillig von sich preisgibt.
Also? Er wirft einen Blick zur Seite. Erste Fältchen um die Augen. Aber bis zum vierzigsten Geburtstag hat es noch eine Weile Zeit. Schlank. Sportlich? Eher nicht, jedenfalls nicht der Typ für Golf- oder Tennisplatz. Das propere kleine Auto riecht nach Auto und nichts sonst, nirgends klebt ein halbgelutschtes Bonbon oder fährt ein zerknülltes Taschentuch herum. Also ist es auch kein Wunder, dass es keinen Kindersitz gibt. Warum nicht? Vielleicht, weil das Ehepaar Andermatt noch nicht so lange verheiratet ist? Warum meint er das? Eine erfahrene Ehefrau redet anders über ihren Mann. Weniger ungeschützt.
Inzwischen sind sie im Berliner Nachmittagsverkehr angekommen, Karen Andermatt fährt zügig, routiniert, umsichtig.
»Seit wann sind Sie verheiratet?«, fragt er unvermittelt.
»Warum wollen Sie das wissen?«, kommt die Rückfrage. »Aber bitte! Vor einer Woche war es ein halbes Jahr.«
»Und wie haben Sie sich kennengelernt? Sophie sagte mir, Sie seien Journalistin …«
»Es war nicht auf einer Bilanzpressekonferenz, wenn es das ist, was Sie meinen«, unterbricht ihn Karen. »Zu so was gehe ich nämlich nicht. Es war im letzten Sommer, in einem dieser überhitzten Intercity-Züge, in denen nacheinander alles ausfällt, Klimaanlage, die Lok, vom Service ganz zu schweigen … eine ältere Dame ist kollabiert, niemand hat gewusst, was man tun könnte, nur dieser eine Mann da …« Sie zuckt mit den Schultern und muss lachen. »… der war einfach nur ruhig und freundlich und umsichtig, außerdem hatte er in seiner Reisetasche noch eine Flasche Mineralwasser, und so haben wir der alten Dame aus dem Schlimmsten heraushelfen können, beim Aussteigen in Braunschweig war sie schon wieder ganz kregel, nur danke hat diese dumme Tussi nicht sagen können.« Sie muss scharf abbremsen, weil ein Wagen vor ihnen in ihre Spur wechselt. »Saukerl! Und ich hab mich bei ihm für sie entschuldigt …«
Sie ist noch immer in ihn verliebt, denkt Berndorf und wechselt das Thema. »Sie arbeiten für eine Wochenzeitschrift?«
»Für Last Exit Berlin«, ergänzt Karen. »Wir kokettieren mit angeblich unzeitgemäßen Betrachtungen. Ich bin Ihnen nicht böse, wenn Sie uns nicht lesen.«
E in en Drink?«, fragt Stukkart. »Einen Chivas Regal viel leicht? Oder einen Armagnac, den ich durchaus empfehlen kann, selbstverständlich haben wir auch einen Wodka, den mir Kenner schon sehr gerühmt haben …«
»Danke«, sagt Ruzkow. Noch immer steht er vor dem Panorama-Fenster in
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