Berndorf 07 - Trotzkis Narr
gar nichts sagen, eine Frau mit Brille und großen Füßen, ein Mann mit einer Windbluse – was soll die Polizei damit anfangen?«
»Dann ruf deinen Mann an.«
Karen schüttelt den Kopf.
»Er will in der Firma nicht angerufen werden?« Sophie Rosenblatt spricht nicht weiter, sondern betrachtet ihre Freundin wortlos. Die gibt den Blick zurück und zuckt dabei ein wenig mit den Achseln.
»Ach so ist das!«, meint die Buchhändlerin. »Dann sehe ich nur noch eine Möglichkeit. Ich kenne hier im Quartier einen Typen, der als privater Ermittler arbeitet. Er war mal Bulle, ist aber seriös. Wenn du willst, rufe ich ihn an, vielleicht kann er dir sagen, was zu tun ist. Sonst müssen wir zur Polizei. So jedenfalls lasse ich dich nicht wieder auf die Straße.«
V iel gibt der Mann, der von Sophie Rosenblatt in das Kabuff gebracht und als Hans Berndorf vorgestellt wird, nicht her. Er ist mittelgroß und hält sich – wie Karen vermutet – wohl deshalb sehr aufrecht. Das graue Haar ist kurz geschnitten, über den Jeans hängt ausnahmsweise kein Bierbauch, der Tweed-Sakko mit Lederflicken an den Ellbogen mutet bereits ein wenig fadenscheinig an. Hat sie sich nicht vorgenommen, die Leute nicht nach ihrem Outfit zu beurteilen?
Inzwischen ist Sophie wieder in ihrem Laden verschwunden, Berndorf und Karen sitzen sich am Schreibtisch der Buchhändlerin gegenüber, zwischen ihnen ist der Stadtplan ausgebreitet, auf dem Karen den Weg zeigen muss, den sie genommen hat, und die Stellen, an denen ihr die beiden tatsächlichen oder auch nur eingebildeten Verfolger aufgefallen sind. Berndorf hört zu, und wenn sie eine Pause macht, sieht er sie ruhig an und wartet, bis sie weiterredet. Das irritiert sie fast noch mehr als der Geruch nach Spaghetti all’aglio, der diesen Menschen umschwebt.
»Ich weiß selbst, dass das alles sehr vage klingt«, bringt sie schließlich heraus. »Und ich könnte es Ihnen nicht einmal übel nehmen, wenn Sie das alles für ein Hirngespinst halten.«
Berndorf macht eine Handbewegung, als wolle er sie bremsen: Wenn er ihre Geschichte für ein Hirngespinst hält, dann wird er es ihr rechtzeitig sagen. »Sie wohnen in Nikolassee. Wie sind Sie heute nach Mitte gekommen? Mit der S-Bahn?«
»Mit dem Wagen. Ich hab ihn im Parkhaus in der Friedrichstraße abgestellt. Als mir diese Frau aufgefallen ist …« Sie bricht ab, hebt mit einer verlegenen Geste beide Hände und lässt sie wieder fallen.
»Es war sicher richtig, dass Sie unter diesen Umständen nicht ins Parkhaus zurückgegangen sind«, bemerkt Berndorf. »Zu Hause haben Sie eine Garage für den Wagen?«
»Er steht meistens auf dem Carport. Die Garage benutzt üblicherweise mein Mann.« Sie versucht ein Lächeln. »Wenn es einen Hagelschlag gibt, ist bei seinem Auto mehr kaputt als bei meinem.«
Das Lächeln bleibt unerwidert. »Frau Rosenblatt sagte mir am Telefon, Ihr Mann – Stefan Andermatt, so ist doch der Name? – sei leitender Angestellter bei Regnier Berlin …«
»Leitender Angestellter?«, fragt Karen zurück. »Ich weiß nicht, ob er das gerne hört.« Wieder muss sie lächeln. »Er ist Verkehrsplaner, war Dozent an der ETH Zürich, Regnier Berlin hat ihn hergeholt, weil … ach! Das werden Sie selber wissen, warum man in Berlin einen Fachmann für Verkehrsplanung und moderne S-Bahn-Netze brauchen könnte.«
»Und? Hat er herausgefunden, was man tun müsste?«
Karen zieht die Augenbrauen hoch. »Ich glaube schon. Aber das Herausfinden ist gar nicht das Problem. Das Problem ist das Umsetzen. Heutzutage kommt es nicht darauf an, ob ein Projekt vernünftig ist.«
»Sondern?«
»Es muss vor allem großkotzig sein«, antwortet Karen. »Darf aber zugleich nicht kosten, was es kosten müsste. Sonst hat es keine Chance.« Ärgerlich klappt sie mit der Hand auf den Tisch. »Das hätte ich jetzt nicht sagen sollen! Es ist auch nur eine blöde Übertreibung, Stefan würde mir sofort widersprechen.«
»In dieser Sache hier« – Berndorf weist auf den Stadtplan, auf dem sie Karens Route verfolgt hatten – »wollten Sie ihn nicht anrufen?«
»Nein … nicht in der Geschäftszeit.« Karen spürt, dass eine leichte Röte über ihr Gesicht zieht. »Falls Sie andeuten wollen, dass diese … diese Leute von meinem Mann beauftragt worden sein könnten, darf ich Ihnen versichern, dass dies ganz und gar unvorstellbar ist. So würden wir nicht miteinander umgehen. Ganz davon abgesehen, dass mein Mann dazu auch überhaupt keinen Anlass
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