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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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hat mein Vater gesagt, auch nicht von sonst einem Kommandeur, sondern sie werden gewonnen oder verloren von den Unteroffizieren.«
    Du Hornochse, denkt Andermatt, du unglaubliches Rindvieh, wozu schreibt man dir ein Dossier? Ruzkow ist – oder war – Oberst der Roten Armee. Erschrocken blickt er auf, denn der Oberst der Roten Armee hat ein kurzes trockenes Lachen ausgestoßen. »Ich nehme an«, sagt er, »Ihr geschätzter Herr Vater war selbst Unteroffizier? In Russland vielleicht?«
    »Ja. War er«, gibt Stukkart kleinlaut zu.
    »Also ein Fachmann«, stellt Ruzkow fest. »Jedenfalls für verlorene Schlachten. Wir wollen aber eine gewinnen. Und wo finden wir jetzt den richtigen Unteroffizier dafür?« Er blickt zu Andermatt. »Oder sollten wir den Verfasser dieser Fallstudien fragen?« Er deutet mit dem Daumen zu dem Tisch, auf dem die Planungsunterlagen ausgebreitet sind. »Oder seinen Onkel?«
    »Vielleicht …« Stukkart räuspert sich, als Zeichen, dass doch bitte schön er das Gespräch führen will, »vielleicht sollte ich zu Ihrer Beruhigung zunächst klarstellen, dass die Behörden der Stadt und des Bundeslandes Berlin in keiner Weise korrupt sind. Es ist völlig ausgeschlossen, einen Beamten durch Zuwendungen irgendwelcher Art zu einer anderen als seiner pflichtgemäßen Entscheidung bewegen zu können. Was haben Sie?«
    Ruzkow betrachtet ihn, ohne eine Miene zu verziehen, aber der Zeigefinger seiner rechten Hand hat damit begonnen, ganz leicht und im Zwei-Sekunden-Takt auf die Glasplatte zu tippen. »Nichts«, sagt Ruzkow, »ich höre.« Er nimmt die Hand von der Glasplatte.
    »Ja«, sagt Stukkart, »wo war ich stehengeblieben? Ach, die pflichtgemäße Entscheidung! Dem steht aber nicht entgegen, dass die Beamten gerne bereit sind, einen Antragsteller so zu beraten, dass sein Antrag genehmigungsfähig wird. Für eine bürgerfreundliche Verwaltung ist dies selbstverständliche Handlungsmaxime. Und wenn nun …«
    »… wenn nun der Antragsteller sich dafür erkenntlich zeigen will«, fällt ihm Ruzkow ins Wort, »so ist ihm freigestellt, seine Dankbarkeit an anderer Stelle zum Ausdruck zu bringen. Wenn ein Soldat … sagen wir: aus der zweiten Kompanie einen Urlaub haben will, dann zahlt er nicht etwa seinem Unteroffizier einen Rausch. Er zahlt den Rausch dem Feldwebel von der vierten Kompanie … Also – wo finden wir, bitte sehr, den Feldwebel der vierten Kompanie des Berliner Senats?«
    Für einen Augenblick herrscht Stille. Stukkart wechselt einen Blick mit Andermatt. Der hebt kurz beide Hände, es ist eine auffordernde Geste, ein wortloses: auf den Tisch damit!
    »In der Sauna«, antwortet Stukkart entschlossen.
    P aul Windsheimer bestellt sich das zweite und letzte von den beiden Pils, die zum Ausklang seines Tages gehören wie die Tagesschau, die er später – zu Hause – einschalten wird. Er sitzt an seinem Tisch, dem vor dem letzten Fenster rechts, und löst ein Sudoku. Die Eckkneipe ist um diese Zeit schon gut besucht, aber nicht proppenvoll, und der Lärm der Leute rauscht um ihn her wie eine Dusche lauwarmen Wassers.
    Auch schwierigere Sudoku-Rätsel sollten im Prinzip durch bloßes Nachdenken lösbar sein. Das predigt er schon die ganze Zeit. Trial and error gilt nicht. Auf die grauen Zellen kommt es an. Dabei ist gar nicht so wichtig, welche Zahl sich an welchem Platz befindet. Wichtig ist, welche Zahl sich wo nicht befinden kann, und noch wichtiger, welche Zahlenkombinationen wo nicht möglich sind. Windsheimer blickt auf. Ein Mann in dunklem Mantel, den Hut in der Hand, hat die Kneipe betreten, aber es ist weder der Mantel noch der Hut, weshalb Windsheimer aufgemerkt hat. Es ist die Haltung: aufrecht, mit einem Stich ins Arrogante.
    Natürlich kennt er den Mann. Ein Kollege, aber zugezogen. Das kam ihm schon immer seltsam vor. Als Ortsfremder in dieser Branche? Na ja, jedem Tierchen sein Pläsirchen, und die Mitgliedsbeiträge für den Landesverband sind brav bezahlt worden. Windsheimer schiebt das Rätselheft zur Seite und weist, als der Mann näher kommt, einladend auf den Stuhl gegenüber, noch bevor der Mann sein »Störe ich?« fragen kann, oder was die Leute sonst so sagen, wenn sie einen stören. Der Mann fragt aber gar nichts, sondern bedankt sich und nimmt Platz. Windsheimer weiß jetzt den Namen: Berndorf und dass dieser Mensch einmal Kriminalbeamter war und jetzt pensioniert ist. Manche können es eben nie lassen.
    »Und, Kollege Berndorf, wie laufen die

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