Berndorf 07 - Trotzkis Narr
Hinterhof unweit des früheren Sektorenübergangs Bernauer Straße und ist nichts weiter als ein Schuppen mit einer Werkbank und einer Ansammlung rostender ausrangierter Autos, die um einen kümmernden, schon fast kahlen Pflaumenbaum herumstehen. Zwischen dem Schrott taucht ein magerer schnauzbärtiger Kerl in einem ölverschmierten Overall auf, Berndorf und er wechseln ein paar Worte, dann nickt der Schnauzbärtige und holt eine Schutzhülle, die kaum sauberer aussieht als sein Overall, und zieht sie über den Fahrersitz von Karens Auto. Er öffnet die Motorhaube, beugt sich über den Motor und tastet darin herum, dann blickt er zu Berndorf auf und schüttelt den Kopf.
Karen steht daneben. Sie fühlt sich benommen, die ganze Zeit schon. In der U-Bahn hatte sie Berndorf halblaut gefragt, ob sie wohl noch immer beobachtet werde. Aber er hatte nur mit einem kurz angebundenen »Nein« geantwortet. Danach war sie, seinen Anweisungen folgend, hierhergefahren. Das gehorsame kleine Frauchen, dem man nichts erklären muss, weil ihr Kopf ja doch zu klein ist für die großen Gedanken der grauköpfigen, kurz angebundenen Männer. Und das gehorsam Auskunft gibt, mit wem man zusammenlebt und warum und wie lange.
Der Mechaniker hat sich jetzt hinters Steuer gesetzt und fährt den Wagen über eine Werkstattgrube. Die beiden Männer steigen in die Grube hinunter, Karen zögert, dann folgt sie ihnen. Der Schnauzbärtige lässt den Lichtkegel einer Stablampe über den Unterboden des Wagens wandern, der Lichtkegel tastet den linken hinteren Radkasten ab, dann den rechten. Es riecht nach Öl, nach Autoreifen, Männerschweiß und noch immer nach Spaghetti all’aglio.
»Da haben wir es ja schon«, sagt Berndorf. Karen blickt hoch, aber sie sieht nur das Rad und irgendwelche Stahlfedern.
»Sehen Sie das kleine schwarze Kästchen?« Der Lichtkegel zittert über die Innenseite des Radkastens und heftet sich an etwas fest, das dort hängt. »Ein GPS-Peilsender. Das Ding wird von Magneten gehalten. Fällt auch bei hoher Geschwindigkeit und holpriger Fahrt nicht runter.«
»Wie beruhigend«, sagt Karen. »Und wie kommt dieses Ding dahin?«
»Das hat irgendwer dahin gedrückt«, antwortet Berndorf. »Eine Sache von ein paar Augenblicken.«
»Und der, der das getan hat – der weiß jetzt, wo ich hinfahre … und wo er mich findet?«
»Zum Beispiel. Ich nehme aber an, er hat es vor allem getan, um ein Bewegungsprofil von Ihnen zu erstellen.«
»Bitte was?«
»Er will wissen, wohin Sie fahren, wie lange Sie sich dort aufhalten, wann Sie das tun und wie oft …«
»Wie oft!« Karen lacht. »Wie das schon wieder klingt … Können Sie abschätzen, wie lange ich schon mit diesem Anhängsel herumfahre?«
Berndorf und der Mechaniker wechseln einen Blick. »Sieht ziemlich frisch aus«, meint der Mechaniker. »Ich sag mal – einen oder zwei Tage.«
»Und was ist das für ein Idiot, der so etwas tut?«, fragt Karen. »Ein Spanner? Jemand, der eine Entführung plant?... Moment – das ist ein Peilsender, das habe ich doch richtig verstanden? Da muss es dann aber irgendwo einen Empfänger geben? Können Sie den nicht herausfinden?«
Berndorf und der Mechaniker sehen sich an, und der Mechaniker macht ein Geräusch, das nach einer Art von Lachen klingt. Noch immer stehen sie zu dritt in der Werkstattgrube unter dem Auto.
»Sicher gibt es einen Empfänger«, antwortet Berndorf. »Die Daten werden auf ein Prepaid-Handy gesendet, das irgendwann auf einen Emil Mustermann in Königswusterhausen eingetragen wurde. Verstehen Sie?«
»Und Sie selbst sehen keinen Weg herauszufinden, wer diese Leute sind und was sie von mir wollen?«
»Nicht von jetzt auf gleich.«
»Was ist jetzt mit diesem Ding?«, schaltet sich der Mechaniker ein.
Mit einer Handbewegung deutet Berndorf auf Karen. »Es ist Ihr Auto.«
»Machen Sie es ab«, sagt Karen.
M ein Fehler ist es deshalb«, sagt Stukkart und deutet mit dem Zeigefinger auf sich selbst, »weil ich zwar weiß, welche informellen Kanäle man bei gewissen Entscheidungsprozessen benutzen muss. Ich habe mir aber nicht vorstellen können, dass dies auch für ein Projekt dieser Größenordnung gilt.« Missvergnügt betrachtet er das Glas Mineralwasser, das auf dem niedrigen Glastisch steht. »Ich war leider oder Gott sei Dank nie Soldat … aber mein Vater war es, und wissen Sie« – er blickt zu Ruzkow –, »was der mir einmal gesagt hat? Die Schlachten werden nicht von den Generälen gewonnen oder verloren,
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