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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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würde, Mörderwörter, um es genau zu sagen …«
    Er bricht ab, denn die Deckenbeleuchtung erlischt, der Saal versinkt in Dunkelheit, allein sitzt er im Lichtkreis der Strahler, die auf das erhöhte Podium gerichtet sind, eine Stimme ertönt:
    »Harlass, hier ist die Polizei, nehmen Sie die Hände hoch, Sie sind festgenommen …!«
    Er wirft sich zur Seite und lässt sich vom Podium auf das Parkett fallen, aber da fallen auch schon die ersten Schüsse und knallen durch Geschrei und Gekreisch, er rafft sich auf, die 464 Viking in der Hand, auf dem Podium – noch außerhalb des Lichtkreises – sieht er einen Schatten und feuert nun selbst, ein oder zwei Mal, und rennt am Podium vorbei, irgendwo muss eine Tür sein, eine Kugel schlägt neben ihm ein, er dreht sich um und spürt einen Schlag gegen die Brust, der ihn gegen die Tür wirft, er will die Tür öffnen, aber mit der linken Hand geht das nicht, also nimmt er die rechte, die noch die Pistole hält, die Tür geht auf, er stolpert auf einen hellerleuchteten Korridor, links sind die Fahrstühle, aber links ist wieder nur Geschrei und Chaos, Leute rennen herum, soviel Zuhörer waren das bei ihm doch gar nicht …
    Er zieht die Tür zu, verbirgt die rechte Hand und die Pistole darin in seiner Jacke und zwingt sich, von der Türe wegzugehen und sie doch im Auge zu behalten, aber es kommt keiner nach, vielleicht hat er den einen ja doch erwischt, aufrecht und ruhig will er weitergehen, vorne rechts ist die Treppe zur Tiefgarage, bis dahin muss er kommen, noch immer ist ihm aus dem Salon niemand nachgelaufen, aber als er bei dem Ausgang zur Tiefgarage anlangt, muss er sich an den Türpfosten lehnen, irgendetwas ist nicht in Ordnung mit ihm.
    E s muss Menschen geben, denkt Karen, die im Rampenlicht aufblühen. Es kommt nicht darauf an, ob die Bühne großartig und die Beleuchtung perfekt ist. Auch nicht darauf, wie viele Augen auf den Redner, auf die Rednerin gerichtet sind. Es genügt, dass es zwei oder drei Paar Augen sind: und schon zeigt die Tigerin, wie sie durch den Feuerreif springen kann.
    Dabei ist das wirklich kein Abend für bengalischen Funkenflug. Das Publikum: überwiegend ältere Leute, zumeist erkennbar keine Besserverdienenden. Der nur gut zu einem Drittel besetzte Saal ist zudem von multifunktionaler Hässlichkeit, mit dem Anschein Altberliner Gemütlichkeit so trübselig drapiert wie ein Kunststofftisch mit einer Folie in Zirbelholzmuster. Doch Dagmar Wohlfrom-Kühn scheint dies alles nichts auszumachen. Sie wandert mit dem Mikrofon durch den Saal und plaudert, zum Beispiel darüber, wie es in den Stadtquartieren aussieht, in denen jeder Zweite eingewandert ist. Was die Staatsanwältin dazu anmerkt, läuft für Karens Geschmack zwar wieder etwas zu sehr auf Law and Order hinaus, wird aber mit einer gewissen berlinerischen Lockerheit serviert. Niemals würde dieser Kandidatin die Ankündigung einfallen, sie werde mit Kärchers Hochdruckreiniger für Sauberkeit und Ordnung auf den Straßen sorgen: höchstens, dass ihre Fans so etwas denken dürfen.
    Die Staatsanwältin ist dazu übergegangen, direkt auf Fragen der Zuhörer einzugehen. Prompt will einer wissen, warum sie denn suspendiert oder beurlaubt worden sei, und sie antwortet sehr sachlich, ohne jeden hörbaren Unterton – nein, sie sei nicht suspendiert, sondern man habe diesen einen Fall einem Kollegen übergeben, weil sie angeblich persönlich betroffen oder womöglich gefährdet sei; ja, sie sehe das anders, schließlich sei man in Berlin wirklich noch nicht so weit, »dass die Verbrecher entscheiden könnten, welcher Staatsanwalt sie verfolgen darf …«
    Da das ein Scherz war, lachen die Zuhörer beflissen, aber unvermittelt bricht das Gelächter ab, weil von draußen Geschrei und Aufregung zu hören sind. Die Staatsanwältin will weiter sprechen, aber plötzlich wird sie von zwei breitschultrigen Männern abgeschirmt, Karen erkennt die Bodyguards, die Staatsanwältin macht eine abweisende Handbewegung, aber die Bodyguards lassen nicht locker. Die Staatsanwältin nimmt wieder ihr Mikrofon auf:
    »Meine Damen und Herren, liebe Freunde, ich bekomme soeben eine Mitteilung, dass es hier im Kongresszentrum eine Störung gibt, offenbar ist jemand verletzt worden, es besteht aber keine Gefahr, bitte bleiben Sie auf Ihren Plätzen, bis wir die Veranstaltung fortsetzen können …«
    Dann wird die Staatsanwältin zum rückwärtigen Ausgang gebracht, die Zuhörer bleiben tatsächlich ruhig oder

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