Berndorf 07 - Trotzkis Narr
vielleicht doch eher ratlos, denn von draußen dringt jetzt nicht nur Unruhe herein, sondern man hört auch das Getrappel von Menschen, die irgendwohin oder einfach nur durcheinanderrennen. Das will sich Karen dann doch ansehen, sie steht auf, und da sie sich einen Platz weiter hinten ausgesucht hat, ist sie mit wenigen Schritten an der Tür und geht hinaus auf den Korridor, der zum Foyer führt.
Auf den ersten Blick ist sie fast enttäuscht. Das Getrappel ist verklungen, aber am Tresen der Rezeption hat sich eine Gruppe von Menschen versammelt, von aufgeregten Menschen, die durcheinanderreden und immer wieder in eine bestimmte Richtung schauen … Dann weicht die Menge auseinander und macht Platz für einen Mann, der zur Rezeption geht und sich dabei den linken Arm hält, mehr kann sie nicht sehen, sie ist zu weit entfernt, aber dennoch ist unverkennbar, dass diesem Mann etwas widerfahren ist, das mit Kampf, Gewalt und Bluttat zu tun hat. Sie zögert, was macht sie jetzt, zurück zur Staatsanwältin? Sie dreht sich um und will den Korridor hochgehen, der zu den Serviceräumen führt, irgendwo dort muss die Wohlfrom-Kühn jetzt sein. Von der Tür zum Treppenhaus löst sich ein Mann und macht einen unsicheren Schritt auf sie zu, ein glatzköpfiger Mann, irgendwo hat sie ihn heute schon gesehen, an ihrem Ohr flüstert eine Stimme, die Stimme ist fast nicht zu verstehen. »Bitte, helfen Sie mir«, flüstert die Stimme, das Gesicht des Mannes ist totenblass, sein linker Arm hängt herunter, »bringen Sie mich zu meinem Wagen … Krankenhaus …«
Karen will sagen, dass es viel besser wäre, den Notarzt zu rufen, dann sieht sie, was der Mann in seiner rechten Hand hält. Es ist eine Pistole, und die Pistole ist auf sie gerichtet.
D ie Treppe zur Tiefgarage scheint kein Ende zu nehmen, und der verwundete Mann hat Schwierigkeiten, er schwankt, immer wieder muss er die rechte Hand – die doch die Pistole hält – am Geländer abstützen. Den linken Arm kann er nicht mehr benutzen, ganz offenkundig ist der Mann angeschossen worden, warum dreht sie sich nicht um und gibt ihm einen Schubs, dass er hinfällt? Karen weiß es nicht, es ist etwas in den Augen des Mannes, das ganz nah ist am Tod. An dem seinen oder dem eines anderen.
Sie sind unten an der Kasse, gehorsam greift sie in seine linke Jackentasche und holt den Geldbeutel heraus. Sie vermeidet dabei, auf das Loch in seiner Jacke zu blicken und den dunklen, immer größer werdenden Fleck drum herum. Im Portemonnaie steckt ein Parkticket, sie bezahlt das Ticket und blickt auf. Das Gesicht des Mannes ist noch immer totenblass, aber er steht gerade und schwankt nicht mehr.
»Rechte Tasche«, sagt er und hebt den Arm. Sie steckt die Hand hinein und holt einen Transponder-Schlüssel heraus.
»Irgendwas um 300. Ein Peugeot Coupé.«
An der Kasse hängt ein Plan, danach müssen sie sich nach dem Kassenautomaten rechts halten, sie hält ihm die Tür zur Tiefgarage auf, der Mann kommt ihr nach, sie geht nicht zu schnell, und er gibt ihr auch keine Anweisung, schneller zu machen. Sie befinden sich zwischen zwei Pfeilern, warum schlägt sie keinen Haken und rennt im Schutz der geparkten Autos weg? Blöde Frage. Er ist dicht hinter ihr, und die Pistole hat er noch immer in der Hand … Sie erreichen den Bereich der 280-er Nummern, der Schlüssel hat Funktionstasten für Türöffner und Blinker, sie drückt darauf, keine zwanzig Meter weiter geben Hecklampen ein gelbrotes Lichtsignal. Der Wagen ist ein dunkles Coupé, die Sitze sind sehr weit vorgestellt, der Verwundete hat Mühe, hin einzukommen, und unterdrückt einen Schmerzenslaut, als er sich auf den Beifahrersitz zwängt. Dann versucht er, den Sitz zurückzustellen, und öffnet den Mund zu einem lautlosen Schrei, als es ihm schließlich gelingt und er sich zurückzulehnen versucht.
Karen hat ihm dabei zugesehen, mit einem fast sachlichen Interesse, und startet jetzt den Wagen. Sie hat keine Mühe zurückzustoßen, überlegt dabei aber, ob sie denn überhaupt aus der Tiefgarage herauskommen wird. Müsste die Ausfahrt nicht gesperrt sein? Aber von rechts kommt ein anderes Fahrzeug, dessen Fahrer offenbar ebenfalls wegfahren will, sie lässt ihm die Vorfahrt und folgt ihm. Wenn sie jetzt wetten könnte, würde sie einen Hunderter darauf setzen, dass weder dieser andere Fahrer noch ihr französisches Coupé die Ausfahrtschranke passieren werden.
Die Schranke öffnet sich für den Wagen vor ihr, senkt sich wieder, der
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