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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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der Mann auf dem Beifahrersitz, und Karen stellt das Radio ab. Der Mann flüstert weiter, sie muss sich zu ihm beugen, um etwas zu verstehen, aber es sind nur einzelne Brocken, die sie aufschnappt, »… stiftet« ist einer der Brocken, »… umbringen …« ein anderer. Dann rafft er sich zu einem ganzen Satz auf oder will es tun: »Der hat mich …«, hört sie, aber das Navigationsgerät schneidet ihm das Wort ab:
    »In fünfhundert Metern halten Sie sich bitte rechts!«
    Karen flucht, aber der Nebel ist so dicht geworden, dass sie das Tempo auf weniger als vierzig Stundenkilometer drosseln muss, es ist kaum mehr zu erkennen, wo die Fahrbahn in das Bankett übergeht. Sie sollte anhalten und versuchen zu verstehen, was der Mann neben ihr sagen will, aber sie muss zugleich das Ziel erreichen, vielleicht gibt es da Hilfe … Und dann hört sie auch nichts mehr von ihm, hat ihn vielleicht der Erlkönig geholt? Der Wagen holpert über ein Schlagloch, aus den Augenwinkeln sieht sie, dass dem Mann der Kopf nach vorne fällt, er wimmert leise – also lebt er noch. Er? Plötzlich, erst jetzt weiß sie, wer da neben ihr sitzt, oder vielleicht hat sie es insgeheim die ganze Zeit schon gewusst und will es erst jetzt wahrhaben: Neben ihr sitzt Lutz Harlass, der Mann, der zwei oder drei Menschen umgebracht hat und vor zwei Stunden vielleicht den vierten.
    Aus dem Nebel taucht vor ihr das Lichtzelt einer Straßenlampe auf, ein Ortsschild: Crammenow, Kreis Havelland, wieder eine Straßenlampe, die Nervensäge befiehlt, rechts abzubiegen, das Scheinwerferlicht tastet sich an Straßenbäumen entlang, deren Geäst in der grauen Nebelsuppe verschwimmt, dann muss sie wieder links abbiegen und noch langsamer fahren, weil nun schon fast gar nicht mehr zu erkennen ist, wo die Fahrbahn aufhört und der Straßengraben beginnt, keine Straßenlampen mehr, nur Dunkelheit, plötzlich ein einzelnes Licht am Straßenrand, dort will sie halten.
    »Sie sind angekommen«, sagt die Stimme, jetzt nicht mehr tyrannisch, sondern mit einem triumphierenden Unterton. Karen setzt den Blinker, biegt in die erleuchtete Einfahrt ein und stoppt den Wagen vor einem offenen Scheunentor, die Scheinwerfer beleuchten die Heckpartie eines dort abgestellten Skoda. Sie zieht die Handbremse und wirft einen Blick auf Harlass, er hat den Kopf wieder gehoben, seine Stimme flüstert etwas, was sie aber nicht verstehen kann. Ein Mann öffnet die Fahrertür und blickt fragend in den Wagen, der Mann ist Hans Berndorf.
    »Guten Abend, Frau Andermatt«, sagt er. »Haben Sie gut hergefunden?«

Freitag

K ein Wartezimmer. Ein Korridor, hellerleuchtet, Wände und Fenster weiß gestrichen, aber blau gerändert. Draußen ist Nacht, tiefe Nacht, nicht wie im Sommer, wenn der Morgen bald kommen wird. Berndorf steht am Fenster, aber das Fensterglas spiegelt nur ihn selbst, einen müden alten Mann. Er blickt zu Karen Andermatt, die neben ihm auf einem der Plastikstühle sitzt, deren durchbrochene Sitzschalen ein wenig Komfort vortäuschen. Das helle Kunstlicht macht sichtbar, dass die Fältchen um ihre Augen schärfer eingegraben sind, als er es in Erinnerung hatte.
    Sie spürt seinen Blick und schaut auf. »Wollen Sie sich nicht setzen?«, fragt sie und deutet auf den Stuhl neben sich. Berndorf dankt, will aber stehen bleiben und sich zwischendurch ein wenig die Beine vertreten.
    »Dieser andere Mann, der uns hergefahren hat – ist der wieder zurück?«
    »Nein«, antwortet Berndorf. »Der wartet unten. Hier darf er nämlich nicht rauchen.«
    »Und auf wen wartet er?« Karen setzt ein kleines kratzbürstiges Lächeln auf. »Sie müssen es mir nicht sagen. Heute Nacht passieren lauter merkwürdige Dinge, aber warum das so ist, muss jemand wie ich ja nicht verstehen.«
    »Der Mann, der uns hergefahren hat, heißt Brutus Finklin, es ist seine Scheune, in der wir das Peugeot Coupé abgestellt haben, und er und ich – wir beide warten jetzt darauf, wer heute Nacht noch alles hier erscheinen wird.«
    »Sie nennen das eine Erklärung?«
    Berndorf hebt entschuldigend beide Hände, aber dann schlägt sein Mobiltelefon an, er geht ein paar Schritte zur Seite und meldet sich. Karen hört, wie er kurz eine Anweisung durchgibt: »Havellandklinik Nauen, Besucherparkplatz, irgendwo muss Finklin stehen und qualmen, das Material ist in einer Aktentasche, Dingeldey erwartet Sie noch heute Nacht … Moment!« Er lässt das Handy sinken und wendet sich an Karen. »In einer halben oder dreiviertel

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