Berndorf 07 - Trotzkis Narr
Stunde wird Tamar unten auf dem Parkplatz etwas abholen – Sie könnten dann mit ihr zurück nach Berlin fahren.«
»Danke«, sagt Karen und streckt die Hand aus. »Kann ich kurz mit ihr sprechen?« Sie nimmt das Handy und meldet sich: »Karen hier …«
Als er hört, dass sie sich mit dem Vornamen meldet, geht Berndorf ein paar Schritte zur Seite. Karen Andermatt spricht aber ungeniert weiter, ja, sie sei auch hier, sie habe doch diesen Mann nach Crammenow gefahren, nein, es sei alles okay, sie sei nicht verletzt, kein Kratzer nirgends, nein, sie wolle hier warten und wissen, wie es diesem Mann geht, der sei doch angeschossen worden, »ich hab die ganze Zeit gedacht, der stirbt mir im Auto … nein, wirklich nicht, ich will auch brav der Polizei erzählen, was ich weiß … noch was: Die Spende für die Leute vom Tauchclub geht klar …«
Sie reicht das Handy an Berndorf zurück, aber der hat mit Tamar nichts weiter zu bereden und beendet das Gespräch. Was für eine Aktentasche soll Tamar da abholen?, will Karen fragen, aber es öffnet sich eine Tür, und ein Mann in einem weißen Kittel kommt heraus, wirft einen Blick auf sie und nähert sich in dieser Haltung gelassener Selbstsicherheit, die auf den ersten Blick erkennen lässt, dass er es ist, der hier das Sagen hat und die Verantwortung trägt.
»Sie sind Angehörige?«, fragt er und fährt fort, ohne auf eine Antwort zu warten. »Der Patient hat sehr viel Blut verloren, und der linke Lungenflügel ist verletzt. Aber wir denken, dass er durchkommt …« Sein Blick bleibt an Berndorf hängen. »Das war aber kein Jagdunfall?«
»Wir sind keine Angehörigen«, antwortet Berndorf, »und wissen auch nichts weiter über ihn. Und nach einem Unfall sieht mir die Sache eher nicht aus. Da Sie jetzt ohnehin die brandenburgische Polizei verständigen werden, sollten Sie vielleicht besser Personenschutz für Ihren Patienten anfordern.«
»Und warum?« Auf der Stirn des Arztes zeichnet sich eine Falte ab.
»Weil die Leute, die ihn angeschossen haben, mit dem Ergebnis vielleicht noch nicht ganz zufrieden sind.«
Die Falten auf der Stirn des Arztes vertiefen sich. »Wir sind hier in Nauen im Havelland. Im Bundesland Brandenburg«, sagt der Arzt. »Nicht in Neapel.«
»Gewiss«, sagt Berndorf höflich. »Trotzdem sollten Sie Polizeischutz anfordern.«
D er Eingangsbereich der Havellandklinik ist verlassen. Aber es brennt Licht, an einem Schalter sitzt ein Nachtpförtner und brütet über einem Kreuzwort- oder Sudoku-Rätsel. In einer Ecke haben Karen Andermatt und ein uniformierter Polizist in einer Sitzgruppe Platz genommen. »Sie haben gesehen, wie der Mann angeschossen wurde?« Der über seinen Notizblock gebeugte Beamte, ein Polizeihauptmeister Bollnow, ist schon älter, Karen kann das Muster betrachten, mit dem er sein dünnes Haar sorgsam über den Schädel verteilt hat. Erkennbar fühlt er sich unbehaglich, wie jemand, dem eine Sache zugelaufen ist, mit der er nichts zu tun haben will.
»Nein«, sagt Karen und wirft einen Blick zur Decke. »Ich habe nicht gesehen, dass er angeschossen wurde. Ich bin einen Korridor entlanggegangen, und da lehnte er am Eingang zum Treppenhaus und kam auf mich zu …« Dann bricht sie ab. Wie oft hat sie das jetzt schon erklärt?
»Und er hat Sie mit einer Pistole bedroht?«
»Er hat eine Waffe in der Hand gehabt«, antwortet Karen. »Ja doch, ich habe mich bedroht gefühlt. Aber ich möchte jetzt nicht noch einmal alles erzählen. Ich habe mich ausgewiesen, Sie haben meine Personalien, vielleicht lassen Sie mich jetzt doch besser ein Taxi rufen …« Sie spricht nicht weiter und blickt auf. Über die Fensterfront des Krankenhauses zuckt blaues Licht, Autos fahren vor, anhaltend sirrt ein Klingelsignal und schreckt den Nachtpförtner auf. Die Kliniktüren öffnen sich, Männer in Kampfanzügen drängen in den Eingangsbereich, Maschinenpistolen in den Händen, und sichern links und rechts den Weg eines untersetzten Mannes mit Bürstenfrisur, der erst stracks zur Pförtnerloge strebt, dann aber Polizeihauptmeister Bollnow erblickt, der inzwischen von Karen abgelassen hat und sich ihm zuwendet. »Meusebach«, sagt der Mann, »Staatsanwaltschaft Berlin, wo ist der Mann, der angeschossen wurde?« Bollnow murmelt etwas von Intensivstation und deutet auf die Fahrstühle.
»Und wer ist das da?« Meusebach deutet auf Karen Andermatt.
»Die Geisel«, sagt Bollnow.
»Unsinn! Was für eine Geisel?« Meusebach wendet sich direkt an
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