Berndorf 07 - Trotzkis Narr
Bereitschaftsarzt, der Meusebach gefolgt ist. Der Fotograf schultert seine Tasche und folgt dem Mediziner in die Station. Der Staatsanwalt will folgen, aber der Arzt weist ihn zurück: »Nur einer!«
Das Gesicht des Staatsanwalts verdunkelt sich erneut, dann fällt sein Blick wieder auf Berndorf. »Ich hatte Sie doch gefragt, wer Sie sind?«
Berndorf weist mit dem Finger auf die Anzeige des Fahrstuhls. Ein Lift kommt von unten, hält, die Türen öffnen sich, und ein Mann mit einem über die Schultern gehängten dunklen Mantel betritt den Korridor und blickt überrascht um sich, als hätte er hier um diese Zeit keine Besucher erwartet. Der Mann ist auffallend blass, was die Geheimratsecken unter dem nach hinten gekämmten braunen Haar noch deutlicher hervortreten lässt. Unter dem offenen Mantel trägt der Mann den linken Arm in einer Schlinge.
»Guten Morgen, Herr Keith«, sagt Berndorf und erlaubt sich ein kurzes Lächeln.
E s war Fontane, wissen Sie?« Berndorf blickt hinüber zu den Fenstern, durch die das graue Licht des frühen Morgens ins Foyer des Krankenhauses sickert. Auf dem niedrigen Glastisch vor ihm steht ein Plastikbecher mit Automatenkaffee. Der Becher ist kalt, aber noch immer dreiviertelvoll.
»Fontane?«
»Ja.« Sein Blick kehrt zu der Kriminalbeamtin zurück, die ihn gerade zu vernehmen versucht. Klein, blond, eifrig. Lena Quist, so steht es auf der Visitenkarte, die sie ihm gegeben hat. Er versucht, Sympathie für sie aufzubringen. Unausgeschlafen und an so einem frühen Morgen ist das nicht leicht, und das hat nichts mit ihr zu tun. »Wir haben über das Luch gesprochen und darüber, wie sich diese Landschaft hier verändert hat, seit Fontane sie beschrieb. Mehr als ein Jahrhundert ist das her.«
»Aber Sie sagten doch, Sie seien Privatdetektiv«, wendet Lena Quist ein, »ich habe das so verstanden, dass Sie Ermittlungen führen …«
Berndorf macht eine ärgerliche, abwehrende Kopfbewegung. Für richtiges Kopfschütteln ist er zu müde. »Manchmal übernehme ich noch einen Auftrag, etwas zu ermitteln. Manchmal besuche ich jemanden. Manchmal unterhalte ich mich mit jemandem, einfach so. Über Bücher zum Beispiel. Oder über das Luch. Über solche Dinge kann man sehr gut reden, wissen Sie!«
»Aber … das ist doch merkwürdig, dass Sie sich mit jemand unterhalten, und dann hält vor dem Haus ein Auto, und in dem Auto sitzt ein Mann, der schwer verletzt ist und mit Haftbefehl gesucht wird …«
»Vor welchem Haus hätte er Ihrer Ansicht nach denn dann halten sollen, damit es nicht merkwürdig ist?«
Trotz des bleichen Kunstlichts im Foyer glaubt er zu sehen, dass sich eine leichte Röte über Lena Quists Gesicht ausbreitet. »Sie haben sich also privat in Crammenow aufgehalten, zu einem Besuch bei Herrn Finklin?«
»Ja.«
»Wie lange kennen Sie Herrn Finklin?«
Berndorf wirft ihr einen kalten Blick zu. »Ich bin mit ihm bekannt. Nächste Frage.«
»Wenn Sie nicht in Crammenow auf Besuch sind und sich unterhalten, führen Sie dann Ermittlungen, die in irgendeiner Weise im Zusammenhang mit dem Fall Harlass stehen?«
»Falls Harlass der Name des jungen Mannes ist, der heute Nacht hier mit einer Schusswunde eingeliefert und operiert wurde – falls das so ist, trifft es zu, dass ich es war, der den Notarzt angerufen hat. Das habe ich Ihnen aber schon vor fünf Stunden gesagt oder wie lange wir hier schon sitzen. Auf Auskünfte über meine berufliche Tätigkeit haben Sie keinen Anspruch, und das wissen Sie auch … Aber!« Er beugt sich vor und versucht, ihr in die blauen Augen zu sehen. »Sie könnten Ihr Augenmerk einmal auf die Frage richten, warum vorgestern, also am Mittwoch, zuerst Polizeibeamte in Crammenow nach einem bestimmten Mann gesucht haben, vielleicht nach ebendiesem Harlass, freilich vergeblich, und warum Stunden später ganz andere Leute dort aufgetaucht sind, Leute, die möglicherweise denselben Mann gesucht haben … Hat die Mordkommission keinen Hinweis auf diese nun wirklich merkwürdige Abfolge bekommen?«
»Über die Hinweise, die wir erhalten, kann ich Ihnen nun wirklich keine Auskunft geben«, antwortet Lena Quist reserviert.
»Und ist wirklich keiner auf die Idee gekommen, den polizeilichen Staatsschutz nach diesen Leuten zu befragen? Diesen Leuten, die im Windschatten der Polizei nach Crammenow gekommen sind?« Berndorf lehnt sich zurück und betrachtet die Kriminalbeamtin aus müden Augen. »Wenn man der Berliner Polizei eine Information gibt, hören
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