Berndorf 07 - Trotzkis Narr
Karen. »Bitte halten Sie sich zu unserer Verfügung.« Er stürmt zu den Fahrstühlen, Karen will ihm folgen, »bitte bleiben Sie hier«, sagt einer der Männer im Kampfanzug und versperrt ihr mit ausgestrecktem Arm den Weg.
»Ich bleibe nicht hier, denn ich will sehen, wie Sie sich in einer Intensivstation aufführen«, fährt ihn Karen an, aber ein zweiter Mann packt sie hart am Arm.
»Sie bleiben hier!«
B erndorf lehnt am Fenstersims, den Rücken der Nacht zugekehrt, die nicht weichen will, die Arme vor der Brust gekreuzt. Schräg gegenüber sitzt der junge Beamte, der zur Bewachung der Intensivstation zurückgelassen wurde. Dieser junge Mann ist groß, stämmig und blond, und seine Gesichtszüge spiegeln die in sich gekehrte Teilnahmslosigkeit mancher Menschen. Erkennbar interessiert ihn nicht, was Berndorf hier tut, es interessiert ihn auch sonst nichts, er hat seine Anweisung, und vermutlich hat er sie so verstanden, dass er den Patienten auf der Intensivstation nicht etwa schützen soll, sondern dass er zu verhindern hat, dass dieser sich die Infusionskabel vom Körper reißt und das Weite sucht.
Der Anzeiger am Fahrstuhlschacht leuchtet auf, der Lift hat sich in Bewegung gesetzt und kommt herauf. Die Türen öffnen sich, ein Mann im Kampfanzug springt auf den Korridor, ein zweiter folgt, sie blicken sich um, einer der Männer kommt auf Berndorf zu und bedeutet ihm mit ausgestreckter Hand, weiter zurückzugehen. Berndorf zieht die Augenbrauen hoch, folgt aber der Anweisung, und dann endlich ist der Weg für den untersetzten Mann mit der Bürstenfrisur frei. Berndorf glaubt zu wissen, dass dies der Staatsanwalt Meusebach ist, von dem er schon einmal ein Foto gesehen hat. Dem Staatsanwalt folgt ein Mensch in Zivil, der eine schwere Tasche trägt.
Der blonde Beamte ist aufgestanden und salutiert Meusebach, erklärt dann aber, dass erst klingeln müsse, wer in die Intensivstation wolle, »Unsinn«, kommentiert Meusebach und öffnet die Tür, kommt aber nicht richtig in die Station hinein – irgendwer scheint ihn aufzuhalten, und nicht nur aufzuhalten, sondern drängt ihn sogar zurück. Meusebach erklärt, wer er sei, aber eine Frauenstimme erwidert unbeeindruckt, dass sie erst den diensthabenden Arzt verständigen müsse, und schließt die Tür wieder.
Meusebach blickt zornig um sich, »das wird ein Nachspiel haben!« Dann bemerkt er, dass Berndorf ihn beobachtet, macht ein paar Schritte auf ihn zu: »Wer sind Sie?«
»Guten Morgen«, antwortet Berndorf.
Das Gesicht Meusebachs verdunkelt sich, dann aber erscheint auf dem Korridor der diensthabende Arzt, ein junger Mann, der Staatsanwalt lässt Berndorf stehen und wendet sich dem Arzt zu: »Meusebach, Staatsanwaltschaft Berlin. Wir müssen den Mann identifizieren, der angeschossen wurde.«
»Guten Morgen«, antwortet der Bereitschaftsarzt. »Wir haben im Augenblick zwei Patienten auf der Intensivstation. Keiner von ihnen ist vernehmungsfähig. Bitte haben Sie Verständnis.«
»Ich warne Sie«, sagt Meusebach, »hier ist Gefahr im Verzug … Möglicherweise ist der Mann, der hier liegt …« Er deutet mit dem Daumen zur Intensivstation. »… ein mehrfacher Mörder. Wir müssen …«
»Keiner der beiden Patienten ist im Augenblick vernehmungsfähig«, wiederholt der junge Arzt.
Meusebach erklärt, dass er – »wenn Sie mir so kommen!« – mit dem Chefarzt sprechen werde. »Jetzt werde ich das tun. Bitte geben Sie mir seine Nummer!«
Der Mediziner zuckt mit den Schultern und weist zu seinem Dienstzimmer. »Bitte sehr. Sie können ihn von meinem Apparat aus anrufen.«
Widerstrebend folgt ihm Meusebach, und beide Männer verschwinden im Dienstzimmer. Der blonde Beamte setzt sich wieder, die beiden Männer in Kampfanzügen beziehen links und rechts des Eingangs zur Station ihre Posten, aber mit jeweils einigen Metern Abstand, und der Zivilist setzt seinen Koffer ab, nicht ohne einen forschenden oder neugierigen Blick auf Berndorf zu werfen. Dann öffnet er seinen Koffer, holt eine Kamera heraus und sucht ein passendes Objektiv. Berndorf hat sich wieder abgewandt und blickt nun in die Nacht hinaus, in deren Schwarz sich das Grau des Nebels mischt. In einiger Entfernung sieht er den Widerschein der Straßenlampen, ein Wagen nähert sich und biegt zur Havellandklinik ein.
Meusebach erscheint wieder auf dem Korridor und wendet sich zu dem Fotografen. »Na also. Wir können ihn fotografieren.«
»Aber kein Blitzlicht ins Gesicht«, ergänzt der
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