Berndorf 07 - Trotzkis Narr
offenbar seltsame Leute mit. Und manchmal schlucken sie die Information auch. Dann ist sie weg … Verstehen Sie jetzt meine Zurückhaltung?«
K aren geht durch eine leere Straße, zwischen hohen Häusern, die aber alle verlassen sind, und eines ist schon zusammengestürzt. An der Brandmauer dahinter hängt ein mehrere Stockwerke hohes Plakat, an den Rändern schon eingerissen, auf dem Plakat ist nichts weiter zu sehen als das Gesicht einer Frau, die über die Straße hinwegblickt, mit einem angedeuteten Lächeln um die Lippen. Karen will näher an die Brandmauer heran, aber je mehr sie sich müht, desto schneller entschwindet das Plakat, es verblasst, und von dem Gesicht bleibt nur dieses in der Luft schwebende Lächeln zurück. Zornig bellt ein Hund und hört nicht auf zu bellen, bis Karen begreift, dass irgendjemand klingelt. Lass es klingeln, denkt sie, dann wirft sie einen Blick auf die Zeitanzeige des Weckers, es ist kurz vor Mittag, und es ist auch nicht der Wecker, der klingelt, sondern irgendjemand, der an der Haustür steht. Sie zwingt sich aufzustehen und schlüpft in ihren Bademantel, es werden die Zeugen Jehovas sein oder die grüne Witwe von nebenan.
Mit einem großen Strauß Herbstblumen steht an der Tür die Staatsanwältin Dagmar Wohlfrom-Kühn. »Habe ich Sie aus dem Schlaf gerissen? Das tut mir aber leid …« Erst heute Morgen habe sie im Büro den genauen Bericht über Karens Entführung und die Vorgänge nach der Schießerei im Kongresszentrum erhalten, »und als ich das gelesen habe, wollte ich natürlich als Erstes wissen, wie es Ihnen geht, aber so richtig konnte mir das niemand sagen. Nur die eine Polizistin, die noch am meisten Grips von der ganzen Truppe hat, meinte, Sie seien nicht traumatisiert, sondern bloß sauer …«
Inzwischen befindet man sich in der Küche, Karen stellt die Maschine für die Kaffee-Tabs an und bittet nun selbst um Entschuldigung, sie sei noch nicht ganz in diesem Tag angekommen, »gerade war ich noch Alice im Wunderland und wollte zur Cheshire-Katze, nur dass es eine Frau war …«
»Oh!«, meint die Staatsanwältin, »falls ich vorgekommen bin, war ich hoffentlich nicht die tyrannische Herzkönigin!«
»Nein«, meint Karen, »ich muss Sie enttäuschen, Sie müssen der Hund gewesen sein, der gebellt hat.«
»Lieber Hund als Tyrannin«, meint die Staatsanwältin, »aber warum heben Sie jetzt die Augenbrauen? Lese ich da einen gewissen Zweifel an meinen Worten?«
Die Kaffeemaschine hat sich aufgeheizt, Karen brüht die erste Tasse auf und bringt sie der Staatsanwältin. »Wenn Sie sich heute Morgen im Büro haben berichten lassen, dann bedeutet das doch, dass Sie wieder – wie soll ich sagen: im Spiel sind?« Sie brüht die zweite Tasse auf und setzt sich mit ihr an den Tisch, der Staatsanwältin gegenüber.
»Ach!«, meint die Staatsanwältin, »um mich aus dem Spiel zu nehmen, muss dieser unsägliche Justizsenator Missenpfuhl schon früher aufstehen … Es hat wohl gestern ein paar Telefongespräche gegeben, in denen dem Regierenden Bürgermeister deutlich gemacht wurde, dass es in der gegenwärtigen Situation äußerst unangebracht sei, mir die Ermittlungen wegzunehmen. Jedenfalls hatte ich heute Morgen einen sehr kleinlauten Missenpfuhl am Telefon, der mir vorschlug, den Gesamtkomplex Harlass Schrägstrich Marcks Schrägstrich Regulski wieder zu übernehmen.« Sie trinkt einen Schluck Kaffee. »Ich habe ihn aber erst mal hängen lassen. Natürlich werde ich die Ermittlungen wieder übernehmen, aber das sage ich ihm erst heute Abend … Sie runzeln die Stirn?«
Karen blickt auf. »Ich habe überlegt, ob ich den Tauchern absagen muss. Aber wenn Sie erst heute Abend …«
»Ah!«, ruft die Staatsanwältin, »die Taucher! Danach wollte ich Sie gestern schon fragen, als der notorische Geizkragen Carsten Stukkart Ihnen plötzlich eine Spende in Aussicht stellte … Was ist denn in den gefahren, hab ich mich gefragt, aber leider nicht nachgehakt, weil ich schon in Gedanken mit der Veranstaltung beschäftigt war und damit, was ich den guten Leutchen im Kongresszentrum erzählen soll … Aber jetzt!«
»Sie hatten doch Taucher zu diesem Fließ schicken wollen«, fragt Karen zurück. »Und das wurde dann abgeblockt. Also meinten wir …«
»Wir?«
»Ach so«, sagt Karen, »da muss ich jetzt etwas ausholen …« Und sie berichtet der Staatsanwältin – freilich nicht in allen Einzelheiten –, wie sie dazu gekommen ist, den privaten Ermittler Berndorf zu
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