Berndorf 07 - Trotzkis Narr
Körperbeschaffenheit eines rosigen Ferkels, der rechts neben Ruzkow sitzt, »in einem Russischen Dampfbad … es war sehr angenehm, sehr belebend …« Der Mann rechts von Ruzkow ist Giselher Marcks, Andermatt kennt ihn, seit er vor einigen Wochen zum ersten Mal zu der Sauna-Runde geladen war. Dabei weiß er nicht einmal genau, was Marcks bei der Senatsverwaltung eigentlich tut und wofür er zuständig ist, wenn er überhaupt für irgendetwas zuständig ist.
»Sie waren in einem Banja«, ergänzt Meyer-Plogstett, der links von Ruzkow sitzt, ein großer, schmalbrüstiger Mann, Baurat im Verkehrsdezernat. »Hat’s auch Haue gegeben?«
»Mit Birkenzweigen, ja doch«, bestätigt Marcks. »Sollten Sie bei sich im Amt auch mal ausprobieren. Damit der Kreislauf in Schwung kommt.«
»Die spüren dort nichts unter ihren Schwielen«, meint Diplom-Ingenieur Wotruba vom Hochbauamt, der auf der untersten Bank rechts sitzt und sich gerade eine Handvoll Schweiß von der Stirn wischt.
»Von welchen Schwielen reden Sie?«, fragt Meyer-Plogstett.
»Von denen vom vielen Sitzen.«
»Meine Herren!«, sagt Marcks tadelnd. Die Sanduhr ist noch nicht einmal zur Hälfte abgelaufen. Andermatt überlegt, ob er auf die unterste Bank wechseln soll.
»Übrigens ist mir vor allem der Dampf in Erinnerung geblieben«, fährt Marcks fort. »Er war dort anders als sonst in der Sauna nach dem Aufguss. Angenehmer. Leichter zu atmen.«
»Das kommt davon, dass die Steine für den Aufguss heißer sind. Wenn es ein gutes Banja ist.« Zum ersten Mal hat Ruzkow sich ins Gespräch gebracht. »Sehr viel heißer als in der finnischen Sauna. Das gibt dem Dampf eine andere Konsistenz.«
»Rein physikalisch leuchtet mir das ein«, meint Meyer-Plogstett.
»Seit wann verstehen Sie im Verkehrsdezernat was von Physik?«, wirft Diplom-Ingenieur Wotruba ein. »Physik hat was mit Energie zu tun, mit Masse mal Bewegung, wenn Sie wissen, was das ist.«
»Und der Hochbau etwas damit«, antwortet Meyer-Plogstett, »dass einem nüscht einfällt. Aber das ist dann schon Glückssache!«
»Das mit den Steinen ist ein gutes Prinzip«, erklärt Marcks. »Wenn man sie richtig heiß macht, dann geht alles viel leichter. Passt auch sonst im Leben.«
»Meinen Sie jetzt: bei den Weibern?«, fragt Wotruba.
»Vielleicht ergibt sich ja eine Gelegenheit«, meint Ruzkow, »und ich kann die Herren in Moskau begrüßen. Dann würde ich mir erlauben, Sie in das Sandunowskaja Banja einzuladen. Ein wunderbares Bad, nicht nur ein kulturgeschichtliches Denkmal, Sie bekommen da ein ganz anderes Bild von Moskau und von uns Russen.«
Vorsichtig erhebt sich Andermatt und bleibt gebückt, damit er mit dem Kopf nicht an die Holzdecke stößt, nimmt sein Badetuch auf und steigt an Ruzkow vorbei auf die unterste Bank. Zürich, denkt er, ach Zürich!
N och immer brennt in der Schwimmhalle Licht. Ein Bademeister in einem weißen Kittel läuft herum. Vermutlich räumt er auf, aber was er aufräumt, das kann Harlass nicht sehen, und so kommt ihm der Bademeister vor wie einer von den komischen Männern in der Kirche, in der er früher manchmal mit seiner Großmutter war. Die Männer dort waren auch hin und her gegangen, und man verstand nicht, warum sie das taten. Aber man musste still sein. Die Eingangstür öffnet sich, ein Mann im Dufflecoat und mit Sporttasche tritt ins Freie und geht die Treppe hinunter … Der Mann ist zu groß, trägt keine Brille und hat auch keinen Glatzkopf. Er geht zu dem fünften Auto vor der Ausfahrt und wirft keinen Blick auf Harlass. Das fünfte Auto vor der Ausfahrt ist ein Toyota, der Mann braucht eine Weile, bis er die Sporttasche auf den Rücksitz gepackt hat, dann fällt ihm ein, dass er seinen Dufflecoat doch wieder lieber ausziehen will, und muss auch den erst verstauen, bis er sich endlich hinters Steuer setzt. Wieder dauert es, bis die Scheinwerfer aufflammen, der Toyota stößt zurück und ist dann auch gleich weg.
Plötzlich geht es ganz schnell. Zwei weitere Männer treten aus dem Portal, auch sie in Mänteln, einer trägt Hut, der andere hat eine dichte dunkle Mähne, sie bleiben dann aber halb auf der Treppe stehen und reden noch, der eine hat die Sporttasche über die Schulter gehängt, der andere stellt sie neben sich ab. Zwei andere Männer gehen an ihnen vorbei, sie sind deutlich jünger und stecken in Anoraks – die Radfahrer!, denkt Harlass und schiebt sein Mountainbike ein paar Schritte zur Seite und beugt sich darüber, als ob er den Sitz
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