Berndorf 07 - Trotzkis Narr
gibt.«
»Kostenlimit?«
Karen blickt fragend auf. Kosten? Wie viel hat sie noch auf dem Konto? »Zweitausend«, hört sie sich zu ihrer Überraschung sagen.
R ot-weiße Absperrbänder aus Plastik zäunen den Parkplatz ein und flattern in der Brise, mit der ein sibirisches Kältehoch Norddeutschland heimsucht. Ein Polizist achtet darauf, dass kein Unbefugter sich dem Hallenbad nähert, auch keiner, der nur einfach am Samstagmorgen ein paar Bahnen schwimmen will. »Kriminaltechnische Untersuchungen! Wir danken für Ihr Verständnis …« Hinten am Fahrradständer sammeln Kriminaltechniker in Overalls Bodenproben und Zigarettenstummel ein. Die Leitende Staatsanwältin Dagmar Wohlfrom-Kühn steht, den Kragen des schwarzen Pelzmantels hochgeschlagen und die widerspenstige Haarmähne mit einem Kopftuch gebändigt, vor dem dritten Stellplatz vor der Ausfahrt und betrachtet die Markierungen auf dem Asphalt – die Markierungen entlang der Fahrerseite eines älteren graugrünen Ford und die Markierungen rechts dahinter.
»Der Täter kam von dahinten«, sagt Kriminalhauptkommissar Wolfgang Keith und weist auf den Fahrradständer am Ende des Parkplatzes, »er fuhr mit seinem Fahrrad, sehr langsam, so dass er den anderen Badegästen ausweichen konnte, die ebenfalls zu ihren Fahrzeugen gingen, er fuhr bis etwa hierher, wo ich jetzt stehe …«, Keith deutet mit beiden Händen unter sich, »… hielt an, sprach erst den Herrn Marcks an, der dabei war, sein Auto aufzuschließen, und schoss dann sofort, als sich dieser zu ihm umdrehte …«
»Was mich stört«, sagt die Staatsanwältin, als habe sie gar nicht zugehört, »was mich stört, ist das zu Offensichtliche …«
Keith blickt fragend.
»Was uns hier gezeigt wird, ist ein Auftragsmord«, erklärt die Staatsanwältin, »ein Täter, der weiß, dass dieser Herr Marcks die Sauna besucht und dass er vor dem Hallenbad auf ihn warten muss … Wieso weiß er das eigentlich? Er wartet brav, passt sein Opfer ab und nimmt dabei in Kauf, dass ihn was weiß ich wie viele Zeugen sehen …«
» Marcks hat regelmäßig freitagabends hier sauniert, die Sauna ist dann für ihn reserviert, genauer gesagt für seinen Freundeskreis.«
»Freundeskreis? Bisschen andersrum, wie?«
Keith zieht eine säuerliche Grimasse. »Zwei der Zeugen, die mit ihm in der Sauna waren, sind Beamte aus der Senatsverwaltung, also Kollegen von ihm. Beide haben gesagt, diese Sauna-Runde bestehe seit Jahren, die meisten Teilnehmer seien städtische Bedienstete und Marcks habe sich einfach darum gekümmert, dass die Reservierung immer wieder erneuert wird. « Ein vorsichtiger Blick zeigt ihm, dass sich auf der Stirn der Staatsanwältin noch immer eine scharfe Falte abzeichnet. »Übrigens habe ich auch den Bademeister gefragt, und der hat mir versichert, die Besucher seien immer seriöse ältere Herren gewesen, also keine Bubis darunter.«
»Dann will ich das mal glauben … Trotzdem stimmt etwas nicht.«
Keith wagt ein zögerndes: »Ja?«
»Mir kommt das vor wie eine Aufführung«, sagt die Staatsanwältin. »Wie eine Performance. Oder wie Theater: Freitagabend, 22 Uhr sonstwas, Öffentliche Hinrichtung des die Sauna besucht habenden Senatsangestellten Marcks. Wofür hat der Senat den eigentlich angestellt? Zum Organisieren von Sauna-Runden?«
Keith holt einen Notizblock aus einer Tasche seines Trenchcoats und muss blättern. »Personalreferat«, antwortet er schließlich. »Lohnbuchhaltung für kommunale Arbeitnehmer. Also für städtische Arbeiter im Gartenamt und in der Kanalreinigung und was die sonst so haben.«
»Hat also dem einen armen Teufel die Überstunden-Zulage nicht ausbezahlt und dem anderen die Brückentage vom Urlaub abgezogen. Und wir sollen jetzt glauben, dass sich der eine arme Teufel mit dem anderen zusammengetan hat, und dann haben sie sich den letzten Cent vom Mund abgespart, um einen Killer zu engagieren, ja? Das sollen wir glauben?«
Keith wendet ein, dass die persönlichen Umstände des Toten noch nicht überprüft worden seien. »Soviel ich bisher weiß, hat er allein gelebt.«
»Vorerst«, bescheidet ihn die Staatsanwältin und wendet sich ab, »vorerst glaub ich in dieser Sache erst einmal gar nix.«
D as Gesicht eines jeden Menschen lässt sich zwar in eine beliebige Vielzahl von Pixeln auflösen, aber es lässt sich umgekehrt nicht oder nur bedingt rekonstruieren. Wenn ein Gesicht anhand eines skelettierten Schädels und unter Berücksichtigung der aus dem Knochenmaterial
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