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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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Sommermonaten benutzt wurde.
    Doch die Tränke! Harlass leuchtet den Trog ab, und plötzlich bleibt der Lichtkegel an einer alten rostigen Wasserpumpe hängen, mit einem rostigen Hebel zu bedienen. Das wird nicht funktionieren, sagt er sich, da kannst du pumpen und pumpen, und kein bisschen Wasser wird kommen, so ist das hier! Dann geht er doch zu der Pumpe, sie lässt sich bewegen, aber wie er es gleich gewusst hat, pumpt sie nur Luft, vier-, fünf- oder sechsmal versucht er es und will schon aufgeben, als er eine Art Röcheln hört. Und auf einmal schießt spuckend und spotzend ein Schwall braunes Wasser aus dem Hahn, er kann es schier nicht glauben, außerdem ist das Wasser mit einem Male klar und spült ihm, während er mit der anderen Hand weiterpumpt, das getrocknete Blut von der Hand und vom Ärmel, und er kann sich das Gesicht waschen.
    Kann es sein, dass ihn das kalte Wasser zur Besinnung bringt? Er hält inne und blickt an sich hinunter. Er wird Lederjacke und Jeans waschen müssen. Was heißt hier waschen! Er kann die Klamotten durch das Wasser im Trog schwemmen, kaltes Wasser ist bei Blutflecken sowieso besser, irgendwo hat er das gelesen. Die Flecken aus dem Pullover kriegt er vielleicht mit einem nassen Lappen raus. Er sieht sich weiter um, von der Scheune ist ein Kabuff abgeteilt, in dem Kabuff findet er einen Spind mit einem schmuddeligen Handtuch drin und eine Liege mit einer durchgelegenen Matratze und einer Pferdedecke darauf. Außerdem gibt es einen Kanonenofen, neben dem eine Kiste mit Feuerholz und Briketts steht.
    Harlass atmet tief durch.
    Z wischen den hohen Bücherwänden des Antiquariats »Labyrinthe« verbreitet eine Leselampe mit grünem Glasschirm ihr mildes Licht. An dem langgestreckten Lesetisch haben Berndorf und seine Gastgeber – das Ehepaar Rautek-Philippi – Platz genommen, zwischen ihnen stehen drei Gläser und eine Flasche eines italienischen Rotweins, der Rotwein stammt aus der Kellerei eines in die Toskana entflohenen Hauptstadt-Journalisten. Dass sie hier zusammensitzen, hat sich so ergeben, über den Tod des Giselher Marcks konnte nicht einfach hinweggeschwiegen werden, aus dem Nicht-Schweigen wurde ein nicht so ganz stilles Totengedenken, das schließlich im Antiquariat der Eheleute fortgesetzt wurde, es lag ja praktisch um die Ecke. Berndorf schmökert in einem alten Band, es ist ein Nachdruck der Zeitschrift »Thalia«, Jahrgang 1786 …
    »Wie manches Mädchen von feiner Erziehung würde seine Unschuld gerettet haben, wenn es früher gelernt hätte, seine gefallenen Schwestern in den Häusern der Freude minder lieblos zu richten …«
    Berndorf blickt auf, in die amüsierten Augen des Buchhändlers Christoph Rautek. »Sie werden den Text sicher erkannt haben«, sagt der, »es ist der Verbrecher aus verlorener Ehre , von Schiller erstmals anonym in der von ihm herausgegebenen Zeitschrift »Thalia« veröffentlicht, unter dem Titel Verbrecher aus Infamie , aber den Passus über die gefallenen Schwestern in den Häusern der Freude finden Sie in späteren Ausgaben nicht mehr, die Königin von Spanien hat keine Beine und die deutsche Klassik keine Bordelle …«
    »Auf solche Sachen ist Giselher abgefahren«, schaltet sich seine Ehefrau Ruth ein, »darauf, wie sich ein Text verändert, wie aus einer Fassung Erster Hand mit der Zeit die störenden, die widerspenstigen Stellen entfernt oder abgeschwächt werden …«
    »Und deswegen ist er dann auch dazu gekommen, Erstausgaben zu sammeln«, erklärt Rautek, »er hat da eine unendliche Geduld und Ausdauer entwickelt, manchmal war es geradezu lästig. Weißt du noch …«, er wendet sich an seine Frau, »wie er uns wegen einer deutschen Erstausgabe der Justine genervt hat?«
    Berndorf nimmt einen Schluck vom Rotwein, der Rotwein schmeckt nach Toskana-Eigenbau, und überlegt, ob er nach dem Geld fragen soll, das der Senatsangestellte Giselher Marcks in sein Hobby gesteckt hat. Was kann eine deutsche Erstausgabe von Justine kosten? Er hat keine Ahnung. »Was hatte er eigentlich studiert? Ich meine, war er Philologe?«
    »Ich glaube nicht«, sagt Ruth Philippi, »und ich weiß auch nicht, ob er überhaupt studiert hat. Aber er hat auch eher – wie soll ich sagen? –, eher ein wenig abseitige Interessen gehabt, also schon auch an pornografischen Texten, bei gewissen sehr zurückhaltenden Männern findet man das ja gerne …«
    »Unsinn«, fällt ihr Rautek ins Wort, »Schweinkram interessierte ihn nur nebenher. Nur, insoweit es

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