Berndorf 07 - Trotzkis Narr
interessieren.«
»Ich habe eine Klientin«, beginnt Berndorf, zögert kurz und erzählt dann doch, warum Karen Andermatt zu ihm gekommen ist. Während er spricht, sieht er, dass sich ein Schatten über das Gesicht der Vera Gramitz zieht. Er muss das Tempo beschleunigen. »Ich gebe zu, das hört sich nach irgendwelchen Vorbereitungen für eine schmutzige Scheidung an. Nach diesen beiden Morden hat sich mein Auftrag aber geändert. Ich muss wissen, ob sich meine Klientin oder ihr Ehemann in einer direkten persönlichen Gefahr befinden. Das kann ich aber erst beurteilen, wenn ich mehr über die Morde weiß. Wenn ich weiß, ob es einen Zusammenhang zwischen ihnen gibt.«
»Das mag alles so sein«, sagt Vera Gramitz. »Folglich wollen Sie jetzt aber von mir wissen, ob ich weiß, warum Regulski sich möglicherweise hat verstricken lassen, in was auch immer … Das ist ein bisschen viel verlangt, finden Sie nicht? Ein bisschen sehr viel.«
Berndorf nimmt einen neuen Anlauf. »Wenn ein Knoten oder eine Schlaufe falsch geknüpft wurden, dann ist nicht sofort jemand darin verstrickt. Es dauert, bis sich die Fäden immer mehr verwirren. Bis einer nicht mehr aus dem Gewirr herauskommt. Sie waren zu Zeiten der Offenen Polizei Ansprechpartner und Vertrauensperson für viele Kolleginnen und Kollegen …«
»So viele waren es nicht«, unterbricht ihn Vera Gramitz brüsk, »der Innensenator hat dann auch sehr rasch dafür gesorgt, dass ich kaltgestellt wurde. Dass mich niemand mehr angerufen hat. Davon abgesehen – warum sollte ich Ihnen erzählen, was mir anvertraut wurde? Ich wäre eine schöne Vertrauensperson gewesen, wie Sie das genannt haben, wenn ich Ihnen jetzt locker vom Hocker was vorplaudern würde.«
»Wenn meine Bitte so angekommen ist, dann muss ich sehr um Entschuldigung bitten!« Berndorf steht auf. »Es geht mir nicht darum, den Ruf des Kollegen Regulski zu beschädigen. Ich will einfach wissen, was sein Tod zu bedeuten hat. Sie wissen so gut wie ich, dass wir das von der Berliner Polizei nicht erfahren werden. Von ihr werden wir nur erfahren, was den Ruf der Polizei schützt. Aber ich will Sie nicht bedrängen. Sie haben mich angehört, dafür danke ich Ihnen …«
H arlass ist also von drei Zeugen identifiziert worden«, fasst Lena Quist zusammen, »und zwar sowohl von dem Studenten, mit dem der Kollege Broch ein Phantombild erarbeitet hat, als auch von den zwei Männern, die mit Marcks zusammen das Hallenbad verlassen haben und die sich dann plötzlich erinnern konnten, als wir ihnen Fotos vorlegten.« Die Beamtin, ein junge Frau mit blondem, zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haar, blickt auf und sieht sich in der Runde um, ob noch Fragen sind. Niemand meldet sich, Keith nickt ihr zu, und sie fährt fort. »Die Nacht von Freitag auf Sonnabend hat Harlass in seinem Appartement verbracht, und am Sonnabendvormittag hat er um 11.10 Uhr in seinem Notebook den Suchbegriff Polizeibericht Berlin eingegeben …« Wieder blickt sie um sich. Niemand zeigt eine Reaktion. »Um 11.25 Uhr wurde er auf seinem Handy angerufen, und zwar von einem Prepaid-Gerät, das unter dem offenbar fiktiven Namen Wieland Weinert eingetragen ist. Wann er das Appartement verlassen hat, wissen wir noch nicht. Aber es deutet nichts darauf hin, dass er verreisen wollte. Zahnbürste und Rasierapparat – war alles noch da.«
»Gut«, schaltet sich die Leitende Staatsanwältin Wohlfrom-Kühn ein. »Also hat er Samstagmittag noch nicht damit gerechnet, dass wir ihn so schnell identifizieren würden. Ich schließe daraus, dass die Begegnung mit Regulski auch für ihn überraschend gekommen sein muss … Was wissen wir über die Vorgeschichte von Harlass?« Sie blickt sich suchend in der Runde der Sonderkommission Jarygin um, Keith weist auf Siegfried Täubner, einen Mann mit hoher Stirn und kurz geschorenem Schädel, vollen Backen und zwei vorspringenden Schneidezähnen.
»Lutz Harlass ist sechsundzwanzig Jahre alt«, beginnt Täubner, »er war einziger Sohn einer alleinerziehenden Mutter. Sie ist vor zwei Jahren verstorben.« Er macht eine Pause und schiebt die Lippen ein wenig vor, als müsse er erst abschmecken, was er als Nächstes sagen will. »Suizid«, fügt er dann hinzu. »Harlass hat zwar Hauptschulabschluss, eine Lehre als Kraftfahrzeug-Elektriker hat er aber nach wenigen Monaten abgebrochen. Mit vierzehn erhielt er Jugendarrest wegen Tötung eines Wirbeltiers, es folgten zwei Jugendstrafen auf Bewährung wegen Diebstahls und
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