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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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schreckt hoch. Das Treppenhaus des Appartementblocks ist erleuchtet. Sie stellt die Rückenlehne hoch und schaltet die Zündung ein. Das Armaturenbrett leuchtet auf, es ist 1.27 Uhr. Sie schüttelt sich, es gibt Träume … aber das hatte ihr Berndorf schon gesagt. Dass manche Träume immer wiederkommen. Manchmal kostümieren sie sich. Aber immer meinen sie das Gleiche, und das will nie vergehen.
    Die Beleuchtung der Garagenausfahrt schaltet sich ein, langsam klappt das Tor auf, ein dunkler Wagen schießt die Auffahrt hoch und biegt auf die Straße ein, als sei es ganz und gar ausgeschlossen, dass um diese Zeit noch ein anderer Autofahrer unterwegs sein könnte. Hoppla, denkt Tamar und versucht, dem Wagen zu folgen, es ist tatsächlich das kleine französische Auto, was – zum Henker – hat diese Frau für einen Fahrstil? Zum Glück ist wirklich kaum ein Autofahrer unterwegs, Tamar lässt sich etwas zurückfallen, auch ist das Tempo allmählich nicht mehr ganz so halsbrecherisch.
    Inzwischen fahren sie durch eine Allee, die Geschwindigkeit knapp über sechzig Stundenkilometer, da kann man fast nichts einwenden, aber dann sieht sie, dass das Auto vor ihr einen Schlenker macht, erst nach links, dann nach rechts auf die Alleebäume zu, aber gerade noch vor dem Bordstein abgefangen wird. Bremslichter blinken auf, das Auto biegt in die Haltebucht einer Bushaltestelle ein und wird dort abgestoppt.
    Tamar setzt Warnblinker, steuert ihren Wagen in eine Einfahrt und hält. Die Bushaltestelle mit dem kleinen blauen Auto befindet sich nur wenige Meter weiter. Sie steigt aus, irgendetwas hört sich merkwürdig an. Eine Frau steht halb gebückt an einem Alleebaum, mit einer Hand abgestützt, und übergibt sich. Tamar holt eine Packung Papiertaschentücher und die Wasserflasche aus ihrem Wagen und geht zu ihr. »Alles raus?«
    Die Frau – es ist wirklich Karen Andermatt – schaut zu ihr auf und wischt sich dabei mit der Hand den Mund ab. »Entschuldigen Sie bitte …«, sagt sie oder will es sagen, dann folgt doch noch ein Schwall. Tamar reißt die Packung Papiertaschentücher auf und wartet. Als Karen wieder zu Atem gekommen ist und sich beruhigt hat, reicht sie ihr die offene Packung. »Nichts zu entschuldigen«, sagt sie dann. Karen nimmt die Taschentücher und säubert sich das Gesicht, dann lässt sie sich wortlos die Wasserflasche geben, die ihr Tamar reicht, und spült sich den Mund aus. Auch Tamar nimmt sich ein Papiertaschentuch, geht in die Knie und tupft ein paar Spritzer Erbrochenes von dem schwarzen Kleid. »Danke«, sagt Karen, »Sie sind sehr freundlich … ich weiß gar nicht, was mir …« Im Neonlicht der Straßenlaterne sieht ihr blasses Gesicht seltsam kindlich aus. Tamar empfindet es so.
    »Sie können so nicht weiterfahren«, sagt sie dann und richtet sich wieder auf. »Geben Sie mir die Autoschlüssel, ich werde Sie nach Hause bringen.«
    Karen versichert, sie habe nichts getrunken. Das mag schon sein, denkt Tamar. Kotze nach Alkohol stinkt noch mal ganz anders. Das sagt sie aber nicht. »Dann kann ich Sie zweimal nicht allein lassen. Entweder haben Sie einen heftigen Infekt oder sonst etwas gegessen. Es ist kein Problem für mich, Sie zu fahren.« Es kommt noch einmal ein Ansatz zu Widerrede, dann die Auskunft, dass der Zündschlüssel noch steckt. Tamar zieht ihn ab und bugsiert Karen auf den Beifahrersitz: Sie solle hier warten, bis sie ihr eigenes Auto geparkt habe, in einer Einfahrt könne sie es nicht stehen lassen.
    Tamar hat Glück, kurz nach der Bushaltestelle beginnt eine Parkbucht, an deren Beginn gerade so viel Platz übrig ist, dass das kleine rote Auto zwar halb auf dem Grünstreifen steht, aber doch eine Chance hat, nicht sofort abgeschleppt zu werden. Sie kehrt zum Auto der Andermatt zurück, Karen sitzt noch immer auf dem Beifahrersitz, ganz entspannt, den Kopf gegen die Nackenstütze gelehnt. Die Wagentür hat sie offen gelassen, als brauche sie noch immer vor allem frische Luft. Tamar zwängt sich hinters Steuer.
    »Ich bin Ihnen wirklich dankbar«, sagt Karen, »aber ich wohne in Nikolassee, das ist ein ziemliches Stück …« Sie nennt die Adresse, und Tamar unterdrückt die Bemerkung, dass sie das alles schon weiß. Sie fährt los, nachher wird sie mit einer Taxe zurückkehren, soll Berndorf sehen, wie er die Spesen verrechnet!

Dienstag

D ie Wolldecke kratzt im Gesicht. Durchs Dachfenster sickert das blasse Licht des frühen Morgens. Vom eisernen Bettgestell blättert der weiße

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