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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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ist, darüber spricht man nicht. Man macht sich auch nicht lustig darüber. Aber die Komödie kann damit spielen. So, dass es niemanden geniert. Es ist ja nur eine Komödie, und am Ende löst sich alles in Heiterkeit auf. Lachen befreit.«
    »Ich weiß nicht«, sagt Stukkart. »Was sich da in Heiterkeit auflöst, scheint mir eher eine geradezu schauerliche Rechtfertigung des ius primae noctis zu sein, der arme Tölpel von einem Kriegsheimkehrer muss auch noch froh sein, dass die Frau vom großen Jupiter begattet worden ist und nicht von irgendeinem verlausten Iwan oder popeligen GI . Ich wundere mich, dass Ihre Generation offenbar nicht erkennt, wie reaktionär und rückschrittlich das alles ist, etwa im Vergleich zur ›Hochzeit des Figaro‹.«
    Schon wieder hat Karen das Gefühl, sie werde beobachtet. »Schön, wie Sie die Fahne von Achtundsechzig hochhalten! In Ihren Händen hätte ich Sie nicht vermutet.«
    »Wenn es Sie stört«, meint Stukkart, »kann ich das Motiv auch anders deuten. Als ein Lehrstück über die Nützlichkeit von Beziehungen. Vielleicht ist ja alles ganz anders gewesen, und vor allem Anfang geht die Alkmene in den Tempel und betet, lieber Jupiter, mach, dass mein Amfi den Krieg gewinnt, ich bin dann auch ganz lieb zu dir. Könnte man ihr doch nicht übel nehmen, oder?«
    Sie sind am Ende der Halle angekommen und drehen um. »Oder wie würde es Ihnen gefallen, wenn es Amphitryon ist, der in den Tempel geht. Hören Sie, großer Jupp, könnten Sie n icht einen Elfmeter für uns pfeifen? So in der 44. Minute, kurz vor Halbzeit? Und schiebt dem Jupiter ein Aktfoto von der Alkmene unter den Sockel, mit der Telefonnummer drauf, schließlich weiß man, dass der große Jupp eine Schwäche für so was hat, in der ganzen Antike hat sich das schon rumgesprochen …«
    K aren sieht sich um. Ein nicht zu großer Raum, hell, zurückhaltend möbliert, schwarze Lederfauteuils mit verchromtem Stahlrohr, ein Durchgang zu einer Küche, die eher eine Pantry ist. Was ist das, was an den Wänden hängt und leuchtet. Fauves? Neue deutsche Wilde? Eine Stereoanlage, hochwertig, samt Plattenspieler, einem richtigen Plattenspieler! Schallplatten gibt es auch dazu, sie entdeckt »Revolver«, Beatles 1966, das war, als Opa mit Oma ging. In einem nicht zu großen, nicht von Ikea gelieferten Bücherschrank entdeckt sie ein paar Lyrik-Bände hinter Glas, einige amerikanische Romane, die Essays von Montaigne, aber nirgends Geschäftsberichte oder einen Stapel vom Börsenteil der FAZ . Was sieht sie also? Genauer: Was soll sie sehen?
    Meine Damen, es wird hier gezeigt: die private Klause eines allein lebenden, kultivierten, stilsicheren älteren Herrn mit literarischen und philosophischen Interessen, der offenbar in der Lage ist, Faulkner und Montaigne im Original zu lesen. Ferner ist dem Raum zu entnehmen, dass sich nebenan noch ein weiteres Zimmer befinden muss, mit einem französischen Bett darin. Dieses wird auch der eigentliche Zweck der ganzen Installation sein.
    »Nicht doch einen Sekt?«, fragt Stukkart.
    »Danke, nein.« Wie ist sie hierhergekommen? Stukkart hatte sie noch in einen Club eingeladen. Sie hatte abgelehnt, sich dann aber von ihm zum Parkhaus begleiten lassen. Da Stukkart, wie er behauptet, mit dem Taxi gekommen war, fuhr sie ihn zu seiner Stadtwohnung. Und nun ist sie hier.
    »Einen Sherry? Oder Port?«
    »Einen Tee. Gerne einen Fencheltee. Oder sonst einen Kräutertee.«
    Stukkart nickt und macht sich in seiner Pantry zu schaffen. Zischelnd heizt ein Automat das Teewasser auf. »Geht Pfefferminz?«
    Pfefferminz geht. Karen steht vor einem der wilden Bilder und überlegt, ob darauf ein Beischlaf gezeigt wird. Vermutlich. Stukkart erscheint mit einem Tablett, darauf das gefüllte Teeglas und mehrere Teebeutel, und stellt das Tablett auf dem Glastisch vor den Fauteuils ab. »Zucker dazu?«
    »Bitte nicht!«
    Karen setzt sich oder lässt sich vielmehr in den schwarzen Lederfauteuil sinken und schlägt ein Bein über das andere. Der Rocksaum des ärmellosen, aber hochgeschlossenen schwarzen Kleides rutscht ein wenig höher, doch sie scheint nicht darauf zu achten. Sie reißt die Verpackung des Teebeutels auf und lässt ihn in das heiße Wasser eintauchen. Dann blickt sie zu Stukkart auf, der ihr gegenüber Platz genommen hat, einen Kognak-Schwenker in der Hand.
    »Trinken Sie das nicht.«
    »Bitte?«
    »Nicht, falls Sie mit mir schlafen wollen«, erklärt Karen. »Ich mag den Geruch nach Schnaps nicht. Vor

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