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Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Berndorf 07 - Trotzkis Narr

Titel: Berndorf 07 - Trotzkis Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Ritzel
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sagt Berndorf und blickt auf. Nach einer Schrecksekunde zieht sich schon wieder Röte über Karen Andermatts schönes blasses Gesicht.
    N och einmal zieht Harlass die Schubladen der Kommode auf, erst die drei großen unten, eine nach der anderen, systematisch. Dann die beiden kleinen Schubladen oben, unterhalb der Platte. Aber in denen kann die Aktentasche sowieso nicht sein. Er hält inne und wischt sich den kalten Schweiß von der Stirne.
    Die Aktentasche ist nicht da. Noch einmal geht er zu dem Spind neben dem blechernen Waschbecken. Nichts. Alles leer. Nicht nur die Tasche ist weg. Verschwunden sind auch die Jeans und die Jacke, ebenso der Rest seiner Klamotten. Und wieso steckt er in diesem albernen Nachthemd? In Potsdam hat er sich doch einen Pyjama gekauft. Er geht zum Bett zurück, kniet sich nieder und schaut unter dem Bett nach. Nichts. Natürlich nichts.
    Er richtet sich wieder auf und setzt sich auf das Bett. Das Frühstück steht noch immer da. Der Kaffee, das Ei mit dem albernen Mützchen, die Tablette Aspirin in ihrer Folie. Er reißt die Folie auf und wirft die Tablette in das Glas mit dem Wasser. Ein paar Augenblicke lang schaut er dem Sprudeln zu, mit dem sich die Tablette auflöst. So leicht sieht das aus! Nur in seinem Kopf löst sich nichts, da ist alles verknotet und schwer und drückt ihm auf die Augen, plötzlich ist ihm, als sei die ganze Welt nur dazu da, um ihn zu verarschen und vorzuführen und gegen die Wand laufen zu lassen … Was für ein Einfall, ihm ein Nachthemd überzuziehen! Zum Brüllen komisch. Noch immer sprudelt die Tablette, selbst die Gasperlen platzen vor Lachen, wenn sie an die Oberfläche kommen, er hebt die Hand, am liebsten würde er das Tablett zu Boden wischen. Dann lässt er die Hand wieder sinken.
    Neben ihm auf der Bettdecke liegt – zusammengefaltet – noch immer diese Zeitung. Titel in roter Fraktur: »Havelländischer Kurier«. Darunter die Schlagzeile: »Polizei jagt Berliner Beamtenmörder«. Unter der Schlagzeile ist ein Foto eingeblockt, man sieht nur die obere Partie eines kahlgeschorenen Kopfes, aber Harlass weiß auch so, wer da gezeigt wird. Dann faltet er die Zeitung doch auseinander, natürlich ist es das Foto, das die Bullen damals von ihm gemacht haben, und unter dem Foto steht: »Auf der Flucht: Der Schwerverbrecher Lutz Harlass (26)«. Mehr muss er nicht lesen, und so legt er die Zeitung wieder zusammen und neben sich auf das Bett. Das Aspirin hat sich aufgelöst, er schüttet das Glas Wasser in einem Zug hinunter, noch immer schmerzt der Schlund. Aus der Thermoskanne gießt er sich Kaffee ein, der Kaffee ist noch heiß, das ist gut für den Hals. Wenigstens etwas.
    Es klopft. Plötzlich steigt Panik in ihm hoch. Dieses Klopfen … Er blickt um sich, der einzige Fluchtweg geht über das Dach, aber bis er den einen Stuhl unters Dachfenster gestellt hat und hinaufgeklettert ist … Und dann in diesem Nachthemd! Außerdem ist er viel zu elend, das zu versuchen. Aus die Maus.
    Der Schlüssel wird umgedreht, die Tür aufgestoßen. Ist ja gut, denkt Harlass und nimmt die Hände hoch, und während er das tut, bricht ohne Vorwarnung eine irrsinnige Angst über ihn herein. Wenn das wirklich die Polizei ist, sagt die Stimme in seinem Hinterkopf, und der eine ist dabei …
    Durch die Tür tritt, vorsichtig um sich schauend, Brutus Finklin. Harlass nimmt die Hände herunter, für einen Augenblick überkommt ihn geradezu Erleichterung. Der Alte hat Schiss, denkt er, er schaut sich um, weil er glaubt, ich steh hinter der Tür und hau ihm eins über den Schädel.
    »Du hast nach der Aktentasche gesucht«, stellt Finklin fest. »Die hab ich sichergestellt. Und alles, was da so drin war.« Er greift sich den Stuhl, der neben dem Spind steht, und setzt sich rittlings darauf, in einigem Abstand von Harlass. Plötzlich ist auch der hässliche kleine Hund in der Kammer und sitzt neben seinem Herrn. Herr und Hund betrachten Harlass, und für eine Weile herrscht Schweigen.
    »Die Zeitung hast du offenbar nicht gelesen«, fährt Finklin nach einer Weile fort. »Recht hast du. Was da passiert ist und warum, wirst du sowieso besser wissen …«
    »Schick den Hund raus«, sagt Harlass. »Ich kann Hunde nicht leiden.«
    Finklin blickt zu seinem Hund. »Hexe«, sagt er dann, »du hast hier nichts verloren! Raus!« Der Hund, der also eine Hündin ist, blickt auf und versucht ein Wedeln, Finklin wiederholt das Kommando, worauf Hexe aufsteht und tatsächlich aus dem Zimmer

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