Berndorf, Jacques (Hrsg)
Jagdunfall.
Als säße ich in einem Kino, beobachte ich mich scheinbar selbst, wie ich meinerseits den Spaten zur Hand nehme und ebenfalls zu graben beginne. Paps grummelt mir anerkennend zu, ich steigere meine Anstrengungen, als könne ich mit unbändigem Muskeleinsatz diesem Albtraum ein Ende bereiten.
»Das reicht«, befiehlt Paps nach mehrminütiger Buddelei. »Die beiden passen jetzt rein. Willst du die Füße oder oben?«
»Die Füße«, entfährt es mir.
Paps entledigt sich seines Spatens, spuckt theatralisch in die Hände und nähert sich mit stampfenden Schritten den beiden leblosen Körpern. Die Wolken haben sich zwischenzeitlich verzogen, der Vollmond spendet zwar bleiches, doch recht kraftvolles Licht, so dass wir auf die Taschelampen verzichten können.
»Bei drei«, befiehlt Paps, tritt hinter die Leiche des Mannes und packt an den Aufschlägen der Jacke kräftig zu. In meinem Magen grummelt es, als ich mit zitternden Fingern an Binsfelds Knöchel fasse. Das tote Fleisch unter dem Stoff fühlt sich eiskalt und taub an.
Mit möglichster Sorgfalt befördern wir die Leiche in das provisorische Grab, Binsfelds Kopf ruckelt ein wenig über den lockeren Waldboden, bis er seine endgültige Parkposition erreicht hat. Leicht schief auf den Schultern sitzend scheint mich der Kopf vorwurfsvoll anzustarren, ich wende mich schnell ab, um nicht restlos wahnsinnig zu werden.
Als Nächstes holen wir die Leiche der Frau. Das Schrot hat den Kopf fast völlig zerstört, dennoch scheint der Rest des Körpers mehr Gewicht zu haben als der hagere Politiker. Die Figur der Frau ließe sich getrost als füllig oder untersetzt bezeichnen, die elegante uns sicherlich sündhaft teure Kleidung kaschiert bestens die überflüssigen Fettpölsterchen. Trotzdem, für eine Dame des käuflichen Gewerbes scheint das Äußere eher unterdurchschnittlich gewesen zu sein; vielleicht lagen ihre Qualitäten ja auf gänzlich anderen Gebieten.
Während der paar Schritte des Transports bemerke ich, dass der Frau etwas Glitzerndes aus der Tasche der Kostümjacke fällt. Mit einer letzten Kraftanstrengung befördern wir den toten Körper auf Binsfeld, dann greift sich Paps bereits wieder den Spaten.
Meine Augen huschen suchend über den Boden. Da, wusste ich es doch. Ein Handy.
Das Mobiltelefon verschwindet in meiner Jeans, dann helfe ich Paps, die beiden Körper mit Erde zu bedecken. Natürlich bleibt ein gewaltiger Haufen Erdreich übrig, was nicht zum Verscharren der Leichen benötigt wird, verteilen wir mit den Spaten in der Gegend. Schließlich noch etwas Laub über den kleinen Hügel, dann sind wir fertig.
Das Grab liegt wenigstens ein kleines Stück abseits des nächsten Weges, wenn man nicht direkt darüber stolpert, ist unser kleines Geheimnis hier gut aufgehoben.
Paps schnauft kräftig durch, schultert seinen Spaten und deutet mit dem Kopf in die Richtung, aus der wir gekommen sind.
»Ab nach Hause. Bist doch ein richtiger Mann.«
Bei jeder anderen Gelegenheit hätte ich mich über Schwiegervaters Kompliment gefreut, doch im Moment rauschen mir tausend Dinge gleichzeitig durch den Kopf. Kommen wir damit durch? Ist das Mord oder Totschlag? Komme ich wegen Beihilfe dran? Werden mir mildernde Umstände zugesprochen? Und sollte man sich in Gefängnisduschräumen wirklich nicht nach der Seife bücken?
Schwiegervater ist schon auf dem Rückweg zum Auto, als ich mich ebenfalls in Bewegung setze. Nach den ersten Schritten krame ich das Handy vor. Muss ein neues Model sein, so eins hab ich bisher noch nie gesehen. Es ist ausgeschaltet. Ohne größere Erwartungshaltung drücke ich auf den Tasten herum, als plötzlich das Display zum Leben erwacht.
Eine kleine Sanduhr überbrückt die Wartezeit, die das Mobiltelefon benötigt, um betriebsbereit zu werden. Dann wechselt das Display, statt der Sanduhr erscheint die Deutschlandfahne als Hintergrundbild, gleichzeitig erklingt eine liebliche Melodie als Begrüßungsliedchen.
Halt ... Moment ... was ist das? Da ist etwas auf der Fahne. Und die Melodie kommt mir entfernt bekannt vor. Die spielten sie doch immer ... ja genau, bei Olympia, wenn wieder welche aus der DDR unseren Leuten die Medaillen weggeschnappt hatten. Wie ging noch mal der Text? War das nicht
Auferstanden aus Ruinen und der Zukunft zugewandt
...? Und das da auf der Fahne ... Richtig, das sind Hammer und Zirkel.
»Mach das Radio aus«, blökt Paps und bleibt wütend stehen.
»Das ist kein Radio, sondern das Handy von der
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