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Berndorf, Jacques (Hrsg)

Berndorf, Jacques (Hrsg)

Titel: Berndorf, Jacques (Hrsg) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatort Eifel
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Geräuschbelästigung verantwortlich ist, erkannt habe.
    Statt mit einer Grußformel zu antworten, brummelt sich die gebeugte Gestalt undeutlich etwas wie »... wurde aber auch Zeit ...« in den Bart, tritt mit den verschlammten Gummistiefeln einmal gegen die Hauswand und stürmt in die Diele. Die verkrusteten Sohlen hinterlassen eine zentimeterdicke Schlammschicht auf dem Teppich. Ich wollte sowieso noch ordentlich sauber machen, bevor Tina am Montag zurückkommt.
    Mein Vater ist nicht wirklich mein Vater, sondern der von Tina, meiner Verlobten. Als ich Tina das erste Mal sah, hatte ich das Gefühl, als schlüge der Allmächtige eine Schneise in den damals über dem Schützenplatz niedergehenden Dauerregen und sandte einen seiner Engel zu uns Unwürdigen hier auf der Erde. So wie sie da plötzlich vor mir stand, in ihrer engen Jeans und dem triefendnassen T-Shirt, war sie mir wie die Erfüllung eines jeden Männertraums vorgekommen. Ich stand augenblicklich zur Salzsäure erstarrt vor ihr, mein bereits halb geleerter Bierbecher füllte sich binnen weniger Sekunden bis zum Rand mit Regenwasser, während sie mich ihrerseits ebenfalls nicht aus den Augen ließ. Und endlich merkte ich, dass sie bei weitem von meinem Auftauchen nicht annähernd so fasziniert war wie ich von ihrem – ich stand ihr nur bei ihrem Versuch, sich vor dem Platzregen in das Festzelt zu retten, im Weg.
    Nun, es hat dann doch irgendwann auch bei ihr gefunkt. Und selbst der Moment, in dem sie mir ihre Eltern vorstellte, hatte mich nicht dazu veranlasst, schreiend die Flucht zu ergreifen und meinen Wohnsitz von Gondenbrett nach Ruanda-Burundi zu verlegen.
    Meine Schwiegermutter Lisbeth war eine liebenswerte Frau. Über meinen Schwiegervater konnte ich eigentlich auch nichts Negatives sagen. Außer vielleicht, dass wir, seitdem Tina ihn und mich aufeinander losgelassen hatte, höchstens hundert Worte miteinander gesprochen hatten. Das ergab pro Jahr immerhin einen Schnitt von dreiunddreißig ein Drittel Worte. Denken Sie aber nicht, dass wir den Kontakt auf ein Minimum beschränkt hatten. Er ignoriert mich einfach nur, wenn Tina und ich bei Schwiegerelterns zu Besuch sind oder umgekehrt.
    Wie ich anhand der nur unwesentlich kleiner werdenden Dreckfährte entnehmen kann, hat mein Besuch inzwischen die Küche erreicht. Als ich ebenfalls dort eintreffe, hat er wie selbstverständlich den Kühlschrank geöffnet und klaut gerade meine letzte Flasche Bier.
    »Möchtest du keinen Kaffee?«, frage ich.
    Ein stummes Kopfschütteln, dann zieht er einen metallisch schimmernden Gegenstand aus seiner Wildlederhose. Sein Jagdmesser. Er klemmt die stumpfe Seite der Schneide unter den Kronkorken und gleich darauf nimmt er einen herzhaften Schluck.
    »Bedien dich nur«, meine ich seufzend und schlendere zur Kaffeemaschine. Der Adrenalinschub über den unverhofften Besuch ebbt gerade ab, ich spüre wieder, wie schwer meine Augen sind.
    »Du musst mir helfen«, knurrt Schwiegerpapa über seine Bierflasche hinweg.
    »Ich?«, frage ich zur Sicherheit nach. »Wobei könnte ich dir helfen?«
    Ein Großteil der bisher meiner Person gegönnten hundert Worte hatte Schwiegervaters Abneigung gegen meinen Beruf zum Inhalt. Für ihn sind Verwaltungsmenschen schlicht nichts anderes als überflüssige Drehstuhlpiloten.
    »Weißt du noch? Letzten Sonntag das Gewitter?«, wechselt er anscheinend das Thema.
    »Natürlich. Was war damit?«
    »Der Strom war weg. Irgendwo hat der Blitz reingeknallt, die Sicherung war raus.«
    Gähnend stopfe ich eine Filtertüte in die Kaffeemaschine und schaufele etwas von dem Kaffeepulver hinein. »Na und?«
    »Hab sie wieder reingedrückt.«
    Das Wasser folgt, ich werfe die Maschine an, das rote Lichtlein neben dem Einschaltknopf glüht auf.
    »Dann ist ja alles in Ordnung«, wende ich mich an den Mann hinter der Bierflasche.
    »Eben nicht. Hab vergessen, dass die Kühltruhe an einer extra Sicherung hängt.«
    »Und?«, dränge ich auf eine Fortsetzung.
    »Der Rehrücken ist versaut.«
    Von der Kaffeemaschine wabern die ersten aromatischen Wölkchen herüber, trotzdem reicht die Aussicht auf eine Ladung Koffein noch nicht aus, damit ich aus den Wortfetzen schlau werde.
    »Und wo ist jetzt das Problem? Kauf doch einfach einen Neuen.«
    Schwiegervater lässt die Flasche, die gerade auf dem Weg zu seinem Mund war, wieder sinken. Dabei sieht er mich an, als hätte ich ihn geohrfeigt.
    »Das merkt Lisbeth doch. Und nächstes Wochenende ist

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