Berndorf, Jacques (Hrsg)
Präsidiumstreffen von der freiwilligen Feuerwehr. Dafür braucht sie den doch immer.«
Sehnsüchtig schiele ich auf den sich nur langsam vermehrenden Inhalt der Glaskanne. Noch reicht es nicht für einen ganzen Becher. Plötzlich erwacht in mir jedoch ein schwerer Verdacht. »Du warst ihm Wald, stimmt’s? Um ein Reh zu schießen.«
Die Bierflasche findet wieder ihr Ziel, ich höre den Gerstensaft durch die Kehle meines Besuchers gluckern.
»Vater, es ist Schonzeit!«, schimpfe ich ihn aus, aber mit dieser Aussage verrate ich ihm keine Neuigkeiten.
»Hilfst du mir?«, fragt er, nachdem das Bier geleert ist. »Ich schaffe das nicht alleine.«
Empört will ich ihm sagen, er soll sich zum Teufel scheren und mich mit seiner Wilderei in Ruhe lassen – da halte ich jedoch inne.
Was, wenn das hier nur ein Test ist? Wenn er sich in seinem verschrobenen Kopf vorgenommen hat, mal auszuprobieren, was für ein Kerl sein Schwiegersohn in spe wirklich ist?
Unschlüssig wippe ich auf den Fußballen und versuche, in Windeseile die Situation zu überdenken. Klar, irgendetwas in dieser Art wird es sein. Tina und ich haben in den letzten Wochen einige Male von Hochzeit gesprochen, der Alte hat garantiert was mitgekriegt und will mir jetzt auf den Zahn fühlen. Und dabei bietet es sich natürlich an, dass Tina und ihre Mutter zehn Tage zusammen in Urlaub gefahren sind.
»Ach, was soll’s«, seufze ich. »Lass mich einen Kaffee trinken und dann holen wir das Vieh.«
»Keine Zeit, bald wird es richtig hell«, übernimmt er sofort das Kommando. »Zieh dir was Wasserdichtes an, dann fahren wir sofort.«
Die Rüttelei in Schwiegerpaps Geländewagen schlägt mir auf den Magen, ich habe das Fenster heruntergedreht, um Frischluft einzulassen; doch die feuchtkalte Mischung aus Nieselregen und Nebel erinnert mich nur daran, dass ich eigentlich noch mindestens drei bis vier Stunden schlafend im warmen Bett verbringen wollte.
Wir rumpeln über die Landstraße von Gondenbrett in Richtung Prüm, doch anstatt tatsächlich den Ort anzusteuern, biegt mein Chauffeur auf die L17 nach Niedermehlen ab. Einen Moment überlege ich, mal nachzufragen, wo die Reise hingeht, doch da ich weiß, dass die Antwort allerhöchstens aus einem weiteren Knurren bestehen wird, spare ich mir das.
Dank der frühen Tageszeit sind wir allein auf der Straße, seit Mitte der Woche ist das Autofahren hier eine Katastrophe. Im gut und gern zwanzig Kilometer entfernten Bitburg findet doch diese Konferenz der NATO-Staaten statt, man kennt das ja, Sicherheitsvorkehrungen, Straßensperrungen noch und nöcher, nur weil sich so ein paar Staatsoberhäupter auf unsere Kosten das gute Eifelbier durch die Kehlen laufen lassen. Und wegen der Staus sind die sonst so beschaulichen Eifelsträßchen tagsüber verstopft.
Paps lenkt den Jeep plötzlich brutal auf einen Forstweg. Erschrocken fahre ich aus meinem Halbschlaf hoch, als Zweige kratzend über den Lack fahren. Wir sind irgendwo in der Taiga des deutsch-belgischen Naturparks, fragen Sie mich bitte nicht, wo genau.
Paps fährt – für die Sicht- und Straßenverhältnisse – Höchstgeschwindigkeit, ich meine, dass wir an einem anderen abgestellten Wagen vorbeidonnern, doch bevor ich mich umsehen und vergewissern kann, zieht der Jeep in eine scharfe Linkskurve, dann geht es einen Moment kräftig bergab, schließlich tritt Paps kraftvoll auf die Bremse und bringt den Anderthalbtonner zum Stehen.
»Und wenn einer kommt?«, frage ich scheu, langsam wird es mir bei dem Gedanken an die vorsätzliche Beseitigung des gewilderten Tierkörpers etwas schwammig um die Knie.
Doch Paps ignoriert mich, steigt aus dem Wagen, stiefelt zum Heck und reißt die rückwärtige Tür auf. Als ich ebenfalls aus dem Wagen in die Kälte klettere, kommt er schon wieder nach vorn und drückt mir einen Spaten in die Hand. Anschließend zeigt er unverbindlich mit dem Kopf eine Richtung an und stiefelt entschlossen los.
»Hey, sag mal, was soll ich denn mit dem Spaten?«, rufe ich ahnungslos und wetze Paps hinterher. Für meinen Geschmack ist die Grenze des Tests allmählich erreicht.
»Siehst du gleich«, brummt er zurück. »Wir sind sofort da.«
Paps hat für einen Mann seines Alters – immerhin ist er schon Anfang siebzig, Tina war wohl der letzte erfolgreiche Schuss, den er bei Schwiegermutter gelandet hat – ein erstaunliches Tempo drauf. Ich muss mich sputen, um ihn nicht aus den Augen zu verlieren. Er dringt immer weiter in den Wald ein,
Weitere Kostenlose Bücher