Berndorf, Jacques (Hrsg)
Angela Eßer
Verdammt ...«, Heiner Hollmann schlug mit der flachen Hand auf das Lenkrad. Das Wochenende hatte so gut angefangen. Das Wetter war perfekt, und er hatte es endlich geschafft, dass Juliane einen Surfkurs machen wollte. Gut gelaunt wie lange nicht mehr waren sie in die Eifel gefahren. Wie immer zu Manni an den Rursee. Aber kaum waren sie angekommen, da hatte ausgerechnet der Chef angerufen. Problem mit dem Großrechner. Wieder mal. Also hatte er zurück gemusst. Bereitschaft war Bereitschaft, daran war nun mal nichts zu ändern. Heiner seufzte.
Das Leben könnte so wunderbar sein.
Alles könnte wie früher sein.
Könnte, könnte ...
Aber nichts war mehr wie früher, und das hatten sie nur dieser blöden Ziege aus Hillesheim zu verdanken. Heiner fluchte.
Wenn sie damals doch bloß nicht an den Freilinger See gefahren wären.
Wenn sie nicht unbedingt in dieser Kneipe hätten essen müssen.
Wenn das Wetter nicht so beschissen gewesen wäre.
Wenn, wenn, wenn ...
Er ließ sich den letzten Sommer noch einmal durch den Kopf gehen und fand, wenn er sich’s genau überlegte, dass eigentlich Manni an allem schuld war, denn der hatte damals Moni unbedingt an den Tisch holen wollen. Heiner schlug bei der Erinnerung wieder mit der Hand aufs Lenkrad und stöhnte.
»Oooch«, hatte Manni damals gesagt und gegrinst, »schaut doch mal, dat arme Mädchen sitzt da so ganz alleine ...«
Von wegen
armes Mädchen
. Das hatte Manni dann auch ganz schnell kapiert. Zu einem One-night-stand hatte er sie nicht ins Bett gekriegt, und das Weiber-Gequatsche war ihm und Heiner ziemlich schnell auf den Geist gegangen. Nur Jule war von Moni völlig begeistert gewesen und hatte jedes Wort aufgesogen wie einen Schwamm. Und dann hatte Moni ihr auch noch die Bücher gegeben.
Diese verdammten Bücher!
»Damit dir bei dem Wetter nicht so langweilig wird«, hatte sie dabei zu Jule gesagt.
Langweilig, langweilig ... Was sollte denn der Quatsch? Jule war mit Manni und ihm zusammen an den See gefahren, da konnte ihr doch wohl nicht langweilig sein, und nur weil es geregnet hatte, musste sie ja nicht unbedingt die ganze Zeit Monis Bücher lesen, oder? Zum Surfen waren sie an den Freilinger See gefahren und zu nichts anderem. Dass es geschüttet hatte wie aus Kübeln und dass Jule sich nicht mal an den See hatte setzen können, um ihnen zuzuschauen, daran war er doch nicht schuld gewesen.
Eifel-Regen!
Deswegen, und nur deswegen, war er damals so dämlich gewesen und hatte Jule und Moni nachgegeben, als sie mit dem Vorschlag ankamen, diese bescheuerte Burg zu besichtigen und wandern zu gehen.
Wandern!
Heiner verdrehte die Augen. Trotz des Regenwetters hätten er und Manni auf den See gehen können. Der Wind war ideal. Stattdessen waren sie stundenlang zwischen alten Steinen herumgelatscht. Für was? Heiner schnaufte. Wäre Moni doch damals einfach bei einem ihrer dämlichen Lachanfälle erstickt oder von der Burgmauer gekippt. War sie aber nicht, sondern sie war Jules beste Freundin geworden, und seitdem war alles anders. Vor allem bei Jule. Manchmal kannte er seine eigene Frau nicht mehr wieder. Nichts war mehr wie früher. Es gab keinen Sauerbraten mehr, die Bügelwäsche stapelte sich tagelang im Wohnzimmer, und überall lagen Bücher.
Heiner merkte, wie im die Galle hochkam, wenn er an Moni dachte. Und vor allem, und das ärgerte ihn am meisten, hatte Jule auf einmal keine Lust mehr gehabt, einfach nur am See zu sitzen, wenn sie am Wochenende in die Eifel gefahren waren. Keine Lust mehr, ihm beim Surfen zuzuschauen und auf ihn zu warten. Stattdessen war sie mit Moni quer durch die Eifel gefahren. Von Monschau bis Trier, von Stadtkyll bis Maria Laach. Wobei das gar nicht mal so schlimm gewesen war, das hatte er gerade noch verkraften können. Hauptsache, sie war abends wieder da. Wenn nur nicht permanent die anderen Männer gewesen wären ...
»Und? Mit wem gehst du heute ins Bett?«, hatte er sie manchmal abends scherzhaft gefragt, obwohl der Groll in seiner Stimme nicht zu überhören war. Nicht, dass sie nicht ab und an auch mal mit ihm ins Bett ging, aber es hätte eben doch öfter sein können. Früher hatte sie wenigstens noch ein schlechtes Gewissen bekommen, wenn er sie gefragt hatte, aber mit der Zeit war sie wohl die ewigen Diskussionen leid geworden und hatte vermutlich keine Lust mehr gehabt, sich zu entschuldigen. Sie zuckte nur noch kurz die Schultern und wollte einfach nur ihren Spaß haben. Und den hatte sie.
Weitere Kostenlose Bücher