Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
wollen sie nicht wissen, was zum Teufel er ihnen erzählt. Dem Roten würde das nicht gefallen. Er ist kein sehr geduldiger Mann, und ich bin sicher, daß ich ausgerechnet Sie nicht daran zu erinnern brauche, was das bedeutet.»
    Der Stahlmagnat starrte ins Leere, als habe er nicht ein Wort von dem gehört, was ich sagte. Ich packte die Aufschläge seiner Jacke, zerrte ihn hoch und schlug ihm mit der flachen Hand kräftig ins Gesicht.
    «Haben Sie gehört, was ich sagte? Diese Mörder, diese Folterer haben Ihre Tochter.» Sein Mund wurde so schlaff wie eine unbenutzte Duschhaube. Ich schlug ihn noch einmal.
    «Wir müssen sie aufhalten.»
    «Also, wo sind sie?» Ich ließ ihn los und stieß ihn weg. «Auf dem Fluß», sagte er. «Im Gasthaus Eichwalde, in
    der Nähe von Schmöckwitz.»
    Ich griff zum Telefon. «Wie ist die Nummer?»
    Six fluchte. «Da gibt's kein Telefon», keuchte er. «Herrgott, was machen wir?»
    «Wir müssen hin», sagte ich. «Wir könnten mit dem Wagen fahren, aber mit einem Boot ginge es schneller.»
    Six sprang um den Schreibtisch. « Ich habe ein Motorboot an einem Anleger, nicht weit von hier. Wir können mit dem Auto in fünf Minuten dort sein.»
    Wir holten die Schlüssel für das Boot und einen Kanister Benzin, nahmen den BMW und fuhren ans Seeufer. Das Wasser war rau her als am Vortag. Da eine steife Brise wehte, waren viele kleine Yachten auf dem See, und ihre weißen Segel bedeckten die Oberfläche wie die Flügel unzähliger Nachtfalter.
    Ich half Six, die grüne Persenning vom Boot zu ziehen, und füllte Benzin in den Tank, während er die Batterie anschloß und den Motor startete. Beim dritten Versuch sprang die Maschine dröhnend an, und der fünf Meter lange, glatte Holzrumpf zerrte an den Leinen. Ich warf Six die erste Leine zu, und nachdem ich die zweite losgemacht hatte, sprang ich rasch ins Boot neben ihn. Dann warf Six das Steuerruder herum, drückte auf den Gashebel, und wir schossen vorwärts.
    Es war ein kraftvolles Boot, und selbst die Wasserpolizei

    hatte wahrscheinlich kein schnelleres. Wir rasten die Havel aufwärts in Richtung Spandau, und Six umkrampfte grimmig das Steuerruder, ohne sich um die Wirkung des gewaltigen Kielwassers auf die anderen Wasserfahrzeuge zu kümmern. Die Welle schlug gegen die Rümpfe von Booten, die unter Bäumen oder an kleinen Anlegern vertäut waren. Ihre erzürnten Eigner erschienen an Deck, schüttelten die Fäuste und schrien, doch alles ging im mächtigen Motorengeräusch des Bootes unter. Wir näherten uns der Spree.
    «Ich hoffe bei Gott, daß wir nicht zu spät kommen», rief Six. Er hatte seine frühere Energie wiedergewonnen und starrte entschlossen nach vorn, ein Mann der Tat, dessen Gesicht nur durch ein leichtes Stirnrunzeln zu erkennen gab, daß er Angst hatte.
    «Gewöhnlich verstehe ich mich ausgezeichnet darauf, den Charakter eines Menschen zu beurteilen», sagte er, als müsse er etwas erklären, «aber, falls es Sie irgendwie tröstet, Herr Gunther, Sie habe ich leider schwer unterschätzt. Ich hatte nicht damit gerechnet, daß Sie Dingen so hartnäckig nachgehen. Offen gesagt, ich dachte, Sie würden genau das tun, was man Ihnen sagte. Andererseits sind Sie nicht der Mann, der es gern hat, wenn man ihm sagt, was er zu tun hat, nicht wahr? »
    «Wenn Sie sich eine Katze anschaffen, damit sie die Mäuse in Ihrer Küche fängt, können Sie nicht erwarten, daß sie sich um die Ratten im Keller nicht kümmert.»
    «Da haben Sie recht», sagte er.
    Wir fuhren weiterhin nach Osten, vorbei am Tiergarten und der Museumsinsel. Als wir nach Süden in Richtung Treptower Park und Köpenick schwenkten, fragte ich ihn, welchen Groll sein Schwiegersohn gegen ihn gehegt habe. Zu meiner Überraschung war er ohne Zögern bereit, meine Frage zu beantworten, sogar ohne den ungehaltenen, schönfärberischen Standpunkt einzunehmen wie bei allen vorhe-

    rigen Äußerungen über Mitglieder seiner Familie, ob lebendig oder tot.
    «Da Sie ja mit meinen persönlichen Angelegenheiten gut vertraut sind, Herr Gunther, brauche ich Sie vermutlich nicht daran zu erinnern, daß Ilse meine zweite Frau ist. Ich heiratete meine erste Frau, Lisa, im Jahr 1910, und im Jahr darauf wurde sie schwanger. Unglücklicherweise nahmen die Dinge einen bösen Verlauf, und unser Kind wurde tot geboren. Damit nicht genug, es stellte sich heraus, daß sie keiri Kind mehr würde bekommen können. Im sei ben Krankenhaus lag ein Mädchen, das etwa um dieselbe Zeit ein

Weitere Kostenlose Bücher