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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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gesundes Kind zur Welt gebracht hatte. Sie sah keine Möglichkeit, sich um ihr Kind zu kümmern, und so konnten meine Frau und ich sie dazu überreden, uns ihr Kind zur Adoption zu überlassen. Das war Grete. Solange meine Frau lebte, erzählten wir ihr nicht, daß sie ein adoptiertes Kind war. Doch nach dem Tod meiner Frau entdeckte Grete die Wahrheit und versuchte, ihre richtige Mutter ausfindig zu machen.
    Natürlich war Grete um diese Zeit bereits mit Paul verheiratet und ihm zärtlich zugetan. Was Paul angeht, er war ihrer niemals würdig. Ich habe den Verdacht, daß ihm mehr am Namen meiner Familie und meinem Geld lag als an meiner Tochter. Doch auf alle anderen müssen sie den Eindruck eines vollkommen glücklichen Ehepaars gemacht haben.
    Ja, alles das änderte sich über Nacht, als Grete ihre richtige Mutter schließlich aufspürte. Die Frau war eine Zigeunerin aus Wien, die in einem Bierkeller am Potsdamer Platz arbeitete. Für Grete war das ein Schock, doch für diesen kleinen Scheißer, Paul, brach eine Welt zusammen. Unter dem Blickwinkel sogenannter rassischer Reinheit, was immer das bedeuten mag, rangieren die Zigeuner auf der Skala der Unbeliebtheit gleich hinter den Juden. Paul machte mir Vorwürfe, daß ich Grete nicht früher informiert hätte. Aber als ich sie zum ersten Mal zu Gesicht bekommen hatte, sah ich in ihr kein Zigeunerkind, sondern ein schönes, gesundes Baby und in seiner Mutter eine Frau, der, wie Lisa und mir, daran gelegen war, daß das Kind adoptiert wurde und ein schönes Leben bekam. Es hätte überhaupt keine Rolle gespielt, wenn das Kind die Tochter eines Rabbi gewesen wäre. Wir hätten es trotzdem genommen. Nun, Sie wissen ja, wie es damals war, Herr Gunther. Man machte keine Unterschiede, wie man es heutzutage tut. Wir waren einfach alle Deutsche. Natürlich sah Paul das ganz anders. Alles, woran er denken konnte, war die Bedrohung, die Grete jetzt für seine Karriere in der SS und in der Partei darstellte.» Er lachte bitter.
    Wir kamen nach Grünau, wo der Berliner Regattaclub beheimatet war. Auf einem großen See hinter ein paar Bäumen war eine zweitausend Meter lange olympische Ruderstrecke abgesteckt. Trotz des Motorengeräusches konnten wir die Klänge einer Blaskapelle und eine Lautsprecherstimme hören, welche die Ereignisse des Nachmittags schilderte.
    « Man konnte nicht vernünftig mit ihm reden. Natürlich riß mir die Geduld, und ich beschimpfte ihn und seinen geliebten Führer nach Strich und Faden. Danach waren wir Feinde. Es gab nichts, was ich für Grete tun konnte. Ich sah mit an, wie sein Haß ihr das Herz brach. Ich beschwor sie, ihn zu verlassen, doch sie wollte nicht. Sie weigerte sich, zu glauben, daß er sie nie wieder lieben würde. Und so blieb sie bei ihm.»
    « Doch währenddessen machte er sich ans Werk, Sie zu vernichten, seinen Schwiegervater.»
    « Das ist richtig», sagte Six. «Während der ganzen Zeit hockte er in dem behaglichen Heim, zu dem mein Geld ihm verholfen hatte. Wenn Grete ihn getötet hat, wie Sie sagen, hat er es mit Sicherheit verdient. Wenn sie's nicht getan hat, wäre ich vielleicht in Versuchung geraten, selber dafür zu sorgen.»

    «Auf welche Weise wollte er Sie fertigmachen ?» fragte ich. «Welche Beweise hatte er, die für Sie so kompromittierend waren? »
    Das Boot erreichte die Einmündung des Langen Sees in den Seddinsee. Six nahm Gas weg und steuerte das Boot nach Süden auf die hügelige Halbinsel Schmöckwitz zu.
    « Offenbar kennt Ihre Neugier keine Grenzen, Herr Gunther. Aber ich muß Sie leider enttäuschen. Ich nehme Ihren Beistand gern an, aber ich sehe keinen Anlaß, alle Ihre Fragen zu beantworten.»
    Ich zuckte die Achseln. «Ich denke nicht, daß das jetzt noch eine Rolle spielt», sagte ich.
    Das Gasthaus Eichwalde lag auf einer der beiden Inseln zwischen den Sümpfen von Köpenick und Schmöckwitz. Weniger als zweihundert Meter lang und nicht mehr als fünfzig Meter breit, war die Insel dicht mit großen Kiefern bewachsen. Am Seeufer gab es mehr Schilder mit Aufschriften wie «Privat» und «Zutritt verboten» als auf der Garderobentür einer Fächertänzerin.
    «Was ist das hier? »
    «Das ist das Sommer-Hauptquartier der . Sie benutzen es für ihre geheimeren Versammlungen. Sie begreifen natürlich, warum: Es liegt sehr abgelegen.» Er begann, mit dem Boot die Insel zu umkreisen und nach einem Anlegeplatz zu suchen. Auf der anderen Seite fanden wir einen kleinen Anleger, an dem

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