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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Sommer.»
    « Ja, es ist mir aufgefallen, daß der Regen ein bißchen wärmer ist als gewöhnlich. Wenigstens an einem verdorbenen Sommer können Sie den Juden nicht die Schuld geben.»
    « Glauben Sie das nicht », sagte ich.
    5
    Als ich zum Alexanderplatz zurückkam, herrschte dort ein Verkehrschaos, denn eine Straßenbahn war entgleist. Der Glockenschlag vom hohen, roten Ziegelsteinturm der St.Georgs-Kirche erinnerte mich daran, daß ich, außer einer Schüssel Köllnflocken (( Für die Jugend der Nation»), seit dem Frühstück nichts gegessen hatte. Ich ging zum Ca(e Stock; es lag in der Nähe des Warenhauses Wertheim unter dem S-Bahn-Bogen.
    Das Cafe Stock war ein bescheidenes kleines Restaurant mit einer noch bescheideneren Bar in einer Ecke. Der gleichnamige Besitzer hatte einen solchen Bierbauch, daß er sich gerade noch hinter die Theke zwängen konnte; und als ich durch die Tür kam, sah ich ihn dort stehen, Bier zapfen und Gläser polieren, während seine hübsche kleine Frau an den Tischen bediente. An diesen Tischen saßen oft Kripobeamte vom Alex, und das hatte zur Folge, daß Stock sich genötigt sah, keinen Zweifel daran zu lassen, wie er zum Nationalsozialismus stand. An der Wand prangten ein großes Führerbild und eine gedruckte Tafel mit der Aufschrift « Nie den Hitlergruß vergessen».
    Stock hatte früher anders gedacht und war vor dem März 1933 ein halber Roter gewesen. Er wußte, daß ich das wußte, und es machte ihm immer Sorgen, daß es noch andere Leute gab, die sich ebenfalls daran erinnern konnten. Also nahm ich ihm das Bild und die Tafel nicht krumm. Jedermann in Deutschland war vor dem März 1933 ein anderer gewesen. Und ich sage immer: «Wer ist kein Nationalsozialist, wenn man eine Pistole auf seinen Kopf richtet? »
    Ich setzte mich an einen der Tische und warf einen prüfenden Blick auf die übrigen Gäste. Zwei Tische entfernt waren zwei vom Schwulendezernat, der Abteilung zur Unterdrückung der Homosexualität: Dieses Pack ist nicht viel besser als eine Bande von Erpressern. Am Tisch neben ihnen saß allein ein junger Kriminalassistent vom Revier am Werderschen Markt, an dessen häßliches, pockennarbiges Gesicht ich mich in erster Linie deshalb erinnerte, weil er einmal meinen Informanten Neumann wegen Diebstahlsverdachts verhaftet hatte.
    Frau Stock nahm meine Bestellung, Schweinshaxe mit Sauerkraut, kurz und ohne sonderliche Heiterkeit entgegen. Sie war eine zänkische Frau, die wußte, daß Stock mir Informationen gab: Ich bezahlte ihn für kleine Häppchen von Tratsch über Vorgänge im Alex, und das mißbilligte sie. Bei so vielen Beamten, die bei ihm ein und aus gingen, hörte er oft eine ganze Menge. Sie ging zum Speisenaufzug und rief meine Bestellung in den Schacht zur Küche hinunter. Stock quälte sich hinter der Bar vor und kam herbeigeschlurft. In seiner fetten Hand hielt er ein Exemplar des völkischen Beobachters.
    «Hallo, Bernie», sagte er. «Lausiges Wetter, wie? » «Keinen Hund würde man rausjagen, Max», sagte ich. «Ich hätte gern ein Bier, wenn sich's machen läßt.» «Kommt sofort. Wollen Sie einen Blick in die Zeitung werfen? »
    « Steht was drin? »
    «Das Ehepaar Lindbergh ist in Berlin. Er ist der Bursche, der über den Atlantik geflogen ist.»
    «Hört sich toll an, alles, was recht ist. Ich schätze, der große Flieger wird ein paar Bomberfabriken einweihen, während er hier ist. Vielleicht lassen sie ihn sogar einen Testflug in einem funkelnagelneuen Kampfflugzeug machen. Vielleicht wollen sie, daß er eines bis nach Spanien steuert.»
    Stock blickte nervös über seine Schulter und machte mir ein Zeichen, die Stimme zu senken. «Nicht so laut, Bernie », sagte er, wie ein Kaninchen mit der Nase zuckend.
    «Sie werden mich noch erschießen!» Unwillig murmelnd ging er fort, um mein Bier zu zapfen.
    Ich warf einen Blick in die Zeitung, die er auf dem Tisch hatte liegenlassen. Da war ein kurzer Bericht über die «Untersuchung eines Feuers in der Ferdinandstraße, bei dem, wie bekannt wurde, zwei Personen ums Leben kamen», in dem die Namen der Opfer nicht genannt wurden und weder ihre Beziehung zu meinem Klienten noch die Tatsache erwähnt wurde, daß die Polizei den Fall als Mordsache behandelte. Ich warf die Zeitung verächtlich auf einen anderen Tisch. Auf der Rückseite einer Streichholzschachtel finden sich mehr echte Nachrichten als im Völkischen Beobachter. Währenddessen waren die Beamten vom Schwulendezernat gegangen; Stock kam mit

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