Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
beim Wiedersehen der Ptolemäer.
Ich parkte meinen kleinen, schmutzigen Wagen zwischen einem riesigen Düsenberg und einem schimmernden Bugatti und ging in die Halle, die aussah, als hätte sie ein paar Kathedralen ihres Marmors beraubt. Ein fetter Portier und ein SA-Mann erblickten mich, ließen ihren Schalter und ihr Radio im Stich, aus dem Wagner-Musik zur Einstimmung auf die Parteisendung ertönte, und stellten sich mir als menschliche Barriere in den Weg, voller Sorge, ich wolle womöglich einige der Mieter mit meinem zerknautschten Anzug und meiner selbstbeigebrachten Maniküre beleidigen.
«Wie Sie draußen dem Schild entnehmen können», knurrte Fettsack, «ist dies ein privates Gebäude.» Ihre gemeinsame Anstrengung, mir auf die harte Tour zu kommen, beeindruckte mich nicht. Ich bin es gewöhnt, daß man mir das Gefühl vermittelt, nicht willkommen zu sein, und ich bin nicht leicht abzuwimmeln.
«Habe kein Schild gesehen », sagte ich wahrheitsgemäß. «Wir wollen keinen Ärger, Meister», sagte der SA-Mann.
Sein Kinn sah zerbrechlich aus und wäre bei der kürzesten Bekanntschaft mit meiner Faust wie ein toter Zweig zerknickt.
«Ich verkaufe nichts », sagte ich ihm. Fettsack schob sich in den Vordergrund:
«Was immer Sie verkaufen, hier wollen sie nichts.»
Ich gönnte ihm ein spärliches Lächeln. «Hör zu, Fettsack, das einzige, das mich davon abhält, dich beiseite zu räumen, ist dein übler Mundgeruch. Es wird knifflig für dich sein, ich weiß, aber versuch doch mal, ob du das Telefon bedienen und Fräulein Rudel anrufen kannst. Du wirst feststellen, daß sie mich erwartet.» Fettsack zupfte an seinem riesigen, braunschwarzen Schnurrbart, der, wie eine Fledermaus an der Wand einer Gruft, an seiner gekräuselten Oberlippe klebte. Sein Atem roch weitaus übler, als ich gedacht hatte.
« Ich hoffe für dich, Großmaul, daß du die Wahrheit sagst.
Es wäre ein Vergnügen, dich rauszuschmeißen.» Leise fluchend wackelte er zu seinem Schalter zurück und wählte heftig.
« Erwartet Fräulein Rudel jemanden?» fragte er in sanfterem Ton. «Sie sagt mir ja nie Bescheid.» Er machte ein langes Gesicht, als meine Geschichte sich als wahr erwies. Er stellte das Telefon hin und machte mit dem Kopf eine Bewegung zur Lifttür.
« Dritte Etage», zischte er.
Es gab nur zwei Türen, an den entgegengesetzten Enden der dritten Etage. Zwischen beiden lag ein Parkettboden von der Größe eines Fußballfeldes, und wie ich erwartet hatte, stand eine der Türen einen Spaltbreit offen. Die Zofe führte mich in den Salon.
«Sie setzen sich besser», sagte sie mürrisch. « Sie ist noch beim Ankleiden, und niemand weiß, wie lange das noch dauern wird. Nehmen Sie sich einen Drink, wenn Sie wollen.» Darauf verschwand sie, und ich musterte meine Umgebung.
Das Appartement war nicht größer als ein privates Flugfeld und sah etwa so billig aus wie eine Szenerie aus einem Film von Cecil B. de Mille, dessen Foto mit vielen anderen Fotos um den besten Platz auf dem großen Klavier wetteiferte. Verglichen mit der Person, die diese Wohnung ausstaffiert und möbliert hatte, war der Erzherzog Ferdinand mit dem Geschmack einer Truppe türkischer Zirkuszwerge gesegnet gewesen. Ich betrachtete ein paar der anderen Fotos. Meistens waren es Standbilder aus den zahlreichen Filmen Ilse Rudels. Auf vielen Fotos hatte sie nicht viel am Leib - schwamm nackt oder lugte verschämt hinter einem Baum hervor, der die interessanteren Teile verdeckte. Die Rudel war für ihre spärlich bekleideten Rollen berühmt. Auf einem anderen Foto saß sie in einem eleganten Restaurant mit dem guten Dr. Goebbels an einem Tisch; auf einem anderen alberte sie mit Max Schmeling herum. Dann war da noch eins, auf dem sie von einem Arbeiter auf den Armen getragen wurde, bloß daß der « Arbeiter» zufällig Emil Jannings war. Ich erkannte es als ein Standbild aus Das Haus des Architekten. Mir gefällt das Buch besser als der Film.
Der Duft von 47II ließ mich herumfahren, und im nächsten Augenblick schüttelte ich dem schönen Filmstar die Hand.
« Ich sehe, Sie haben sich meine kleine Galerie angeschaut », sagte sie und ordnete die Fotos, die ich in die Hand genommen und betrachtet hatte. « Sie müssen mich für schrecklich eitel halten, so viele Fotos von mir zur Schau zu stellen, aber ich kann Fotoalben einfach nicht leiden.»
« Nicht im geringsten », erwiderte ich. « Es ist sehr interessant.» Sie schoß das Lächeln ab, bei dem Tausende
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