Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
Vom Netzwerk:
deutscher Männer, ich eingeschlossen, weiche Knie bekamen.
    « Ich bin froh, daß Sie mir zustimmen.» Sie trug einen Hausanzug aus grünem Samt mit einer langen, goldenen, gefransten Schärpe und hochhackige grüne Saffianpantoffeln. Ihr blondes Haar war, wie es jetzt Mode war, im Nacken zu einem geflochtenen Knoten aufgesteckt; doch anders als die meisten deutschen Frauen trug sie Make-up und rauchte eine Zigarette. So etwas wird vom BDM mißbilligt, da es mit dem Nazi-Ideal von germanischer Weiblichkeit nicht übereinstimmt; trotzdem, ich bin ein Kind der Großstadt:
    Schmucklose, geschrubbte, rosige Gesichter mögen auf einem Bauernhof genau das richtige sein, aber wie fast alle deutschen Männer sehe ich meine Frauen lieber gepudert und geschminkt. Natürlich lebte I1se Rudel in einer anderen Welt als die übrigen Frauen. Sie hielt den BDM wahrscheinlich für einen Hockeybund.
    «Tut mir leid wegen der beiden Burschen an der Tür», sagte sie, « aber Sie müssen verstehen, joseph und Magda Goebbels haben eine Etage höher eine Wohnung, so daß die Sicherheitsrnaßnahmen besonders streng sein müssen, wie Sie sich vorstellen können. Dabei fällt mir ein, ich habe joseph versprochen, ich würde versuchen, seine Rede zu hören oder wenigstens einen Teil davon. Hätten Sie was dagegen? »
    Eine solche Frage stellte man nicht jeden Tag; es sei denn, man nannte zufällig den Minister für Propaganda und Volksaufklärung und seine Gattin bei ihrem Vornamen. Ich zuckte die Achseln. «Von mir aus, gern.»
    «Nun, wir werden bloß ein paar Minuten zuhören», sagte sie und schaltete das Gerät ein, das auf einer Hausbar aus Walnußholz stand. « Also dann. Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten?» Ich bat um einen Whisky, und sie goß mir das Glas so voll, daß man ein falsches Gebiß darin hätte desinfizieren können. Sie selbst bediente sich aus einem blauen Glaskrug mit Bowle und setzte sich neben mich auf das Sofa, das in Farbe und Form an eine unreife Ananas erinnerte. Wir stießen an, und als die Röhren des Radios sich erwärmt hatten, begann die ölige Stimme des Mannes aus dem Obergeschoß langsam den Raum zu füllen.
    Zuallererst nahm Goebbels ausländische journalisten wegen ihrer Kritik aufs Korn und tadelte sie wegen ihrer voreingenommenen Berichterstattung über das Leben im neuen Deutschland. Einige seiner Bemerkungen waren so gewitzt, daß sie bei seinem schmeichlerischen Publikum Gelächter und anschließend Beifall auslösten.
    Ilse Rudel lächelte unbestimmt, blieb aber stumm, und ich fragte mich, ob sie verstand, wovon ihr klumpfüßiger Nachbar von oben sprach. Dann hob er die Stimme und fing an, gegen die Verräter zu wettern - wer immer sie waren, ich wußte es nicht -, die versuchten, die nationale Revolution zu hintertreiben. An dieser Stelle unterdrückte sie ein Gähnen. Als jupp schließlich zu seinem Lieblingsthema kam, der Verherrlichung des Führers, sprang sie auf und schaltete das Radio ab.
    «Du lieber Himmel, ich glaube, wir haben für einen Abend genug von ihm gehört.» Sie ging hinüber zum Grammophon und legte eine Platte auf.
    « Mögen Sie jazz?» sagte sie, das Thema wechselnd. «Oh, es hat alles seine Ordnung, es ist kein Negerjazz. Ich liebe jazz, Sie auch?» Im heutigen Deutschland ist nur «weißer» jazz erlaubt, aber ich frage mich oft, woran sie den Unterschied erkennen können.
    « Ich mag jede Art von jazz», sagte ich. Sie zog das Grammophon auf und setzte die Nadel in die Rille. Es war ein hübsches, lockeres Stück mit einer starken Klarinette und einem Saxophonisten, der eine Kompanie von Italienern durch das Niemandsland ins Sperrfeuer hätte führen können.
    Ich sagte: «Gestatten Sie mir die Frage, warum Sie dieses Appartement unterhalten? »
    Sie tänzelte zum Sofa zurück und nahm Platz. «Weil, mein lieber Herr Privatdetektiv, Hermann meine Freunde ein wenig anstrengend findet. Er erledigt in unserem Haus in Dahlern einen großen Teil seiner Arbeit, und das zu jeder Tageszeit. Und um ihn nicht zu stören, empfange ich meine Gäste meistens hier.»
    «Hört sich ziemlich vernünftig an», sagte ich. Sie blies mir aus jedem ihrer edel geformten Nasenlöcher eine Rauchsäule ins Gesicht, und ich atmete den Duft tief ein; nicht nur weil ich den Geruch amerikanischer Zigaretten gern habe, sondern auch, weil er aus dem Inneren ihrer Brust kam und ich für alles, was mit dieser Brust zu tun hatte, empfänglich war. Aus den Bewegungen unter ihrer Jacke hatte ich

Weitere Kostenlose Bücher