Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
das Foto und mich mit Abscheu, dann stand er auf. «Sie sind ein Witzbold, Herr Gunther. Sie haben nicht alle Tassen im Schrank. Und nun machen Sie, daß Sie hier rauskommen, bevor ich die Polizei rufe.»
«Wissen Sie, das ist gar keine schlechte Idee», sagte ich. «Ich bin sicher, sie wird von Ihrem Gemeinsinn sehr beeindruckt sein, wenn Sie anbieten, Ihren Safe zu öffnen und seinen Inhalt inspizieren zu lassen. Weil Sie ein reines Gewissen haben, schätze ich.»
«Raus hier! »
Ich stand auf und verließ das Büro. Ich hatte nicht die Absicht gehabt, auf diese Art vorzugehen, aber Neumaiers Geschäftspraktiken hatten mir nicht gefallen. Im Laden hatte es der Kleiderschrank fast geschafft, einer alten Frau einen Preis für ihre Schmuckschatulle zu machen, der niedriger war als der, den sie dafür vielleicht im Wohnheim der Heilsarmee bekommen hätte. Zahlreiche Juden, die hinter ihr warteten, sahen mich mit einem Gesichtsausdruck an, in dem sich Hoffnung und Niedergeschlagenheit mischten. Ich fühlte mich etwa so behaglich wie eine Forelle auf einer Marmorplatte, und ohne daß ich dafür einen Grund hätte angeben können, empfand ich so etwas wie Scham.
Gert Jeschonnek war ein anderer Fall. Seine Geschäftsräume befanden sich in der achten Etage des ColumbusHauses, eines neunstöckigen Gebäudes am Potsdamer Platz. Es sah beinahe wie die Bastelarbeit eines Lebenslänglichen aus, dem man einen unendlichen Vorrat an Streichhölzern gegeben hat, und es erinnerte mich zugleich an das Gebäude, das fast den gleichen Namen trägt, nämlich das Columbia-Haus am Flughafen Tempelhof - das GestapoGefängnis in Berlin. Dieses Land bringt seine Bewunderung für den Entdecker Amerikas auf die sonderbarste Weise zum Ausdruck.
Die achte Etage beherbergte einen erlesenen Club von Ärzten, Anwälten und Verlegern, die gewiß alle auf nicht weniger als dreißigtausend im Jahr kamen.
Die Doppeltür zu Jeschonneks Geschäftsräumen war aus Mahagoni und zeigte in goldenen Buchstaben die Aufschrift: GERT ]ESCHONNEK EDELSTEINHÄNDLER. Dahinter befand sich ein L-förmiges Büro mit angenehm rosa abgetönten Wänden, an denen gerahmte Fotografien hingen, die Diamanten, Rubine und verschiedene protzige, kleine Klunkern zeigten, welche die Habgier eines oder zweier Salomos hätten anstacheln können. Ich nahm in einem Sessel Platz und wartete, daß ein blutarmer junger Mann hinter einer Schreibmaschine sein Telefongespräch beendete. Nach einer Minute sagte er:
«Ich rufe dich zurück, Rudi.» Er hängte ein und blickte mich mit einem Gesichtsausdruck hochgradiger Säuerlichkeit an.
«Ja?» sagte er. Nennen Sie mich altmodisch, aber ich habe männliche Sekretäre nie leiden können. Die Eitelkeit eines Mannes geht dabei flöten, wenn er den Bedürfnissen eines anderen Mannes dient, und diese Type im besonderen hatte keine Chance, mein Herz zu gewinnen.
«Wenn Sie mit dem Polieren Ihrer Fingernägel fertig sind, könnten Sie Ihrem Chef vielleicht sagen, daß ich ihn sprechen möchte. Der Name ist Gunther.»
«Haben Sie eine Verabredung?» fragte er spitz.
«Seit wann hat es ein Mann, der ein paar Diamanten sucht, nötig, eine Verabredung zu treffen. Würden Sie mir das sagen?» Ich konnte sehen, daß er für meinen Humor keinen Sinn hatte.
«Halten Sie die Luft an», sagte er, kam um den Tisch herum und ging zur einzigen anderen Tür. «Ich werde fragen, ob er Sie empfangen kann.» Während er draußen war, nahm ich ein Exemplar des Stürmers vom Zeitschriftenständer. Auf dem Titelblatt war die Zeichnung eines Mannes im Engelgewand, der sich die Maske eines Engels vor das Gesicht hielt. Hinter ihm war ein unter seinem Chorhemd hervorstehender Teufelsschwanz und sein «Engelsschatten » zu sehen, nur daß dieser das Profil hinter der Maske als ein unverkennbar jüdisches enthüllte. Die Karikaturisten des Stürmers haben eine Vorliebe für große Nasen, und diese glich eher einem Pelikanschnabel. Merkwürdig, dachte ich, so etwas im Büro eines respektablen Geschäftsmannes zu finden. Der blutarme junge Mann, der aus dem anderen Büro zurückkam, lieferte mir die einfache Erklärung.
« Er hat gleich Zeit für Sie », sagte er und fügte hinzu: « Er kauft den Stürmer, um die Itzigs zu beeindrucken.»
« Ich fürchte, ich kann nicht folgen.»
« Wir haben hier 'ne Menge jüdische Kunden», erklärte er. « Natürlich wollen sie nur verkaufen und niemals kaufen. Herr Jeschonnek glaubt, daß er mit ihnen härter verhandeln
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