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Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin

Titel: Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Einladung.
    «Vielen Dank für Ihre Mühe», sagte ich und folgte ihm in die Halle. «Wohnen Sie auch hier im Haus, Herr Haupthändler? »
    «Nein, ich habe eine Wohnung in der Stadt.» «Wirklich? Wo?» Er zögerte kurz.
    «In der Kurfürstenstraße », sagte er schließlich. «Warum fragen Sie? »
    Ich zuckte die Achseln. «Ich stelle zu viele Fragen, Herr Haupthändler. Verzeihen Sie. Eine dumme Angewohnheit, leider. Eine mißtrauische Natur gehört zu meinem Beruf. Bitte, seien Sie nicht gekränkt. Ja, ich muß gehen.» Er lächelte dünn, und als er mich zur Tür brachte, schien er ein wenig erleichtert; doch ich hoffte, ich hatte genug gesagt, um ihn ein wenig nervös zu machen.
    Der Hanomag scheint ein solches Alter erreicht zu haben, daß man jede Geschwindigkeit aus ihm herausholen kann, und so kann man von einem gewissen unangebrachten Optimismus sprechen, der mich bewog, für die Rückfahrt zur Stadtmitte die Avus zu nehmen. Es kostet eine Mark, wenn man diese Schnellstraße benutzen will, aber die Avus ist ihr Geld wert: Die Avus ist die einzige Straße in Berlin, auf der ein Fahrer, der sich für Carraciola hält, das Gaspedal durchtreten und Geschwindigkeiten bis zu 150 Stundenkilometern erreichen kann. Wenigstens konnte er das in der Zeit vor der Einführung des BV Aral, des Ersatzbenzins mit niedriger Oktanzahl, das nicht viel besser ist als Methylalkohol. Jetzt konnte ich aus der I,3-Liter-Maschine des Hanomags beim besten Willen nicht mehr als neunzig herauskitzeln.
    Ich parkte an der Kreuzung Kurfürstendamm und Joachimstaler Straße, dem «Grünfeld-Eck», benannt nach dem Warenhaus gleichen Namens, das sich dort befindet. Als Grünfeld, ein Jude, sein Geschäft noch besaß, pflegte man dort am Springbrunnen im Kellergeschoß gratis Limonade auszuschenken. Doch seit der Staat ihn enteignet hat - zusammen mit allen Juden, die große Warenhäuser besaßen, wie Wertheim, Hermann Tietz und Israel - ist es mit der Gratislimonade vorbei. Als sei das noch nicht schlimm genug, schmeckt die Limonade, für die man nun bezahlen muß, jetzt halb so gut, und man muß nicht die empfindlichsten Geschmacksknospen der Welt haben, um festzustellen, daß jetzt am Zucker gespart wird.

    Genauso schwindeln sie bei allen Sachen.
    Ich saß da, trank meine Limonade, sah zu, wie sich der Lift in dem röhrenförmigen Glasschacht auf- und abbewegte, so daß man, während man von Etage zu Etage schwebte, in das Warenhaus blicken konnte; ich schwankte, ob ich die Strumpfabteilung aufsuchen sollte, wo Carola arbeitete, das Mädchen von Dagmars Hochzeit. Es war der saure Geschmack der Limonade, der mir mein zügelloses Benehmen in Erinnerung rief, und das bewog mich, nicht hinzugehen. Ich verließ das Warenhaus und ging vom Kurfürstendamm zur Schlüterstraße zu Fuß.
    Das Geschäft eines Juweliers ist einer der wenigen Orte in Berlin, an denen man eine Schlange von Menschen erwarten kann, die verkaufen statt kaufen wollen. Das Geschäft für alten Schmuck von Peter Neumaier war keine Ausnahme. Als ich dort ankam, reichte die Schlange zwar nicht bis nach draußen, gewiß aber bis zur Glastür; und die Menschen waren älter und sahen trauriger aus als die Leute in den Schlangen, in die ich mich selber einzureihen pflegte. Die Wartenden entstammten den verschiedenartigsten Milieus, aber zum größten Teil hatten sie zwei Dinge gemeinsam: ihre jüdische Herkunft und, als logische Folge davon, die Arbeitslosigkeit, die sie in erster Linie dazu trieb, ihre Wertsachen zu verkaufen. Am oberen Ende der Schlange standen hinter einem langen Glastresen zwei eisig blickende Angestellte in piekfeinen Anzügen. Sie hatten eine elegante Methode der Taxierung, die darin bestand, dem potentiellen Verkäufer mitzuteilen, wie armselig das Stück sei und wie wenig man wahrscheinlich auf dem freien Markt dafür bekommen würde.
    «Stücke wie dieses hier sehen wir jeden Tag», sagte einer der beiden, kräuselte die Lippen und schüttelte den Kopf über die auf dem Ladentisch ausgebreiteten Perlen und Broschen. «Verstehen Sie, für Gefühlswerte können wir nichts bezahlen. Ich bin sicher, das begreifen Sie." Er war ein junger Bursche, halb so alt wie das verhutzelte Mütterchen, das vor ihm stand, und er sah gut aus, obwohl ihm vielleicht eine Rasur gutgetan hätte. Sein Kollege war in seiner Gleichgültigkeit weniger entgegenkommend: Er schniefte, so daß sich sein Gesicht zu einer Grimasse verzerrte, hob widerwillig seine

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