Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
ein Schnüffler. Was haben Sie denn hier gewollt? »
«Ich suche nach Herrn von Greis.» Ich blickte mich im Zimmer um. Es herrschte ein großes Durcheinander, aber wie es schien, fehlte nicht viel. Ein silberner Tafelaufsatz stand unversehrt auf einer Anrichte, deren leere Schubladen auf dem Boden lagen; und mehrere Dutzend Ölgemälde waren säuberlich in Stapeln gegen die Wand gelehnt. Wer immer diese Wohnung verwüstet hatte, er war nicht auf die übliche Beute ausgewesen, sondern hatte etwas Bestimmtes gesucht.
«Verstehe.» Er nickte bedächtig. «Sie wissen, wem diese Wohnung gehört? »
Ich zuckte die Achseln. «Ich nehme an, Herrn von Greis.» Rienacker schüttelte seinen eimergroßen Kopf. «Er bewohnt sie nur zeitweise. Nein, Besitzer der Wohnung ist Hermann GÖring. Wenige Leute wissen davon, sehr wenige.» Er zündete sich eine Zigarette an und warf mir das Päckchen zu. Ich nahm eine und rauchte dankbar. Ich bemerkte, daß meine Hand zitterte.
«Das erste Rätsel ist also », fuhr Rienacker fort, «wie Sie von dieser Wohnung erfahren haben. Das zweite ist, warum Sie überhaupt mit von Greis sprechen wollten. Könnte sein, daß Sie hinter der gleichen Sache her sind wie die Bande, die vor Ihnen hier war. Das dritte Rätsel ist, wo sich von Greis im Augenblick befindet. Vielleicht versteckt er sich, vielleicht hält ihn jemand gefangen, vielleicht ist er tot. Ich weiß es nicht. In diese Wohnung wurde vor mehr als einer Woche eingebrochen. Ich kam heute nachmittag zurück, um mich noch mal umzusehen für den Fall, daß ich beim ersten Mal was übersehen hatte. Und ich wollte ein bißehen nachdenken, und, was soll ich Ihnen sagen, da kommen Sie hier reingeschneit.» Er nahm einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. In seiner speckseitengroßen Faust sah sie aus wie ein Babyzahn. «Es ist meine erste konkrete Spur in diesem Fall. Also, wie wär's, wenn Sie mal anfangen würden zu erzählen? »
Ich setzte mich auf, richtete meinen Schlips und versuchte, meinen durchnäßten Kragen zu glätten. «Ich versuche, das Ganze zu kapieren», sagte ich. «Ich habe diesen Freund am Alex, der mir erzählte, die Polizei wisse nichts von dieser Wohnung, und doch sind Sie hier und überwachen sie. Das läßt mich vermuten, daß ihr oder der, für den Sie arbeiten, das so möchtet. Ich wollte von Greis finden oder zumindest in die Hände bekommen, was ihn so beliebt macht, bevor sie es tun. Nun, es war nicht das Silber, es waren nicht die Gemälde, weil alles noch da ist.»
«Weiter.»
«Dies ist Görings Wohnung, also schätze ich, daß Sie Görings Bluthund sind. Es gibt keinen Grund, warum Göring auf Himmler Rücksicht nehmen sollte. Schließlich hat Himmler ihm die Kontrolle über Polizei und Gestapo abgenommen. Also ist es nur logisch, daß Göring es vermeiden will, Himmlers Leute mehr als nötig hineinzuziehen.»
«Vergessen Sie nicht etwas? Ich arbeite für die Gestapo.» «Rienacker, ich mag ja leicht niederzuschlagen sein, aber ich bin nicht blöde. Wir wissen beide, daß Göring bei der Gestapo eine Menge Freunde hat. Das ist kaum überraschend, denn er hat sie gegründet.»
«Wissen Sie, Sie hätten Detektiv werden sollen.»
«Über die Verwicklung der Polizei in diesen Fall denkt mein Klient genau wie der Ihre. Das heißt, daß ich offen mit Ihnen reden kann, Rienacker. Mein Mann vermißt ein Gemälde, ein Ölgemälde, das er auf einem nicht ganz legalen Weg erworben hat. Es wäre also das beste, wissen Sie, die Polizei erführe nichts davon.» Der große Bulle sagte nichts, also fuhr ich fort.
«Vor zwei Wochen jedenfalls wurde das Gemälde aus seinem Haus gestohlen. Und jetzt komme ich ins Spiel. Ich habe bei ein paar Händlern auf den Busch geklopft, und dort bekomme ich zu hören, daß Hermann Göring ein leidenschaftlicher Kunstsammler ist - daß er irgendwo in den Tiefen von Karinhall eine Sammlung alter Meister hat, die nicht alle auf legalem Weg erworben sind. Ich erfahre, daß er einen Mittelsmann hat, Herrn von Greis, für alle Angelegenheiten, die den Ankauf von Kunstwerken betreffen. Also beschließe ich, herzukommen und zu sehen, ob ich mit ihm reden kann. Wer weiß, das Gemälde, das ich suche, könnte sehr gut eines von denen sein, die da an der Wand lehnen.»
«Vielleicht », sagte Rienacker. < « Rubens», sagte ich und hatte selber Freude an meiner Erfindungsgabe. «Ein paar nackte Frauen, die an
Weitere Kostenlose Bücher