Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
einem Fluß stehen. Es heißt Die Badenden oder so ähnlich. In meinem Büro habe ich eine Fotografie.»
« Und wer ist Ihr Klient? »
«Das kann ich Ihnen leider nicht sagen.»
Rienacker hob gemächlich eine Faust. « Ich könnte vielleicht versuchen, Sie umzustimmen.»
Ich zuckte die Achseln. «Ich würde es Ihnen trotzdem nicht sagen. Es ist nicht so, daß ich der ehrbare Typ wäre, der den Ruf seines Klienten schützt, und all dieser Mist. Es ist bloß so, daß ich auf eine ziemlich beträchtliche Wiederbeschaffungsprämie scharf bin. Dieser Fall ist meine große Chance, mal richtig Zaster zu verdienen, und wenn mich das ein paar Beulen und ein paar gebrochene Rippen kostet, dann muß ich das eben in Kauf nehmen.»
< «Es ist nicht dabei », sagte ich schließlich. «Aber vielen Dank, daß ich nachsehen durfte.» Rienacker nickte.
In der Diele stülpte ich meinen Hut auf meinen hämmernden Kopf. Er sagte: «Ich bin im Revier Charlottenstraße, Ecke Französische Straße.»
«Ja», sagte ich. «Ich weiß. Über , nicht wahr?» Rienacker nickte. «Und, ja, wenn ich etwas höre, lasse ich's Sie wissen.»
«Denken Sie daran», knurrte er und ließ mich raus.
Als ich zum Alexanderplatz zurückkam, fand ich in meinem Vorzimmer eine Besucherin vor.
Sie war gut gebaut und ziemlich groß und trug ein schwarzes Kostüm, in dem ihre eindrucksvollen Kurven an eine wohlgeformte spanische Gitarre erinnerten. Der Rock war kurz und eng und spannte sich über ihrem üppigen Hinterteil, und die Jacke war eng, tailliert, doch darüber weit genug geschnitten, um ihren prächtigen Busen aufzunehmen. Auf ihrem glänzend schwarzen Haar trug sie einen schwarzen Hut mit aufgebogenem Rand, in ihren Händen hielt sie eine schwarze Stoff tasche mit weißem Griff und weißer Schließe und ein Buch, das sie hinlegte, als ich ins Vorzimmer kam.
Die blauen Augen und der perfekt geschminkte Mund lächelten mit entwaffnender Freundlichkeit.
«Herr Gunther, nehme ich alL» Ich nickte stumm. «Ich bin Inge Lorenz. Eine Freundin von Eduard Müller. Von der Berliner Morgenpost.» Wir schüttelten uns die Hände. Ich schloß die Tür zu meinem Büro auf.
«Kommen Sie rein und machen Sie es sich bequem», sagte ich. Sie blickte sich im Zimmer um und schnüffelte ein paarmal die Luft. Der Raum roch immer noch wie die Schürze eines Barkeepers.
«Tut mir leid wegen des Gestanks. Ich hatte leider einen kleinen Unfall.» Ich ging zum Fenster und stieß es auf. Als ich mich umdrehte, stand sie neben mir.
«Eine eindrucksvolle Aussicht», bemerkte sie. «Ja, nicht übel.»
«Berlin Alexanderplatz. Haben Sie Döblins Roman gelesen?»
«Ich habe im Augenblick nicht viel Zeit zum Lesen», sagte ich. «Außerdem gibt es sowenig, was lesenswert wäre.» «Es ist natürlich ein verbotenes Buch», sagte sie, «aber Sie sollten es lesen, denn es ist gerade wieder im Handel.» «Ich verstehe nicht», sagte ich.
«Oh, aber ist Ihnen das denn nicht aufgefallen? Verbotene Schriftsteller sind wieder in den Buchhandlungen. Es ist wegen der Olympiade. Damit die Touristen nicht denken, daß hier alles unterdrückt wird, wie man behauptet. Natürlich werden sie wieder verschwinden, sobald alles vorbei ist, aber Sie sollten die Bücher lesen, und wär's nur, weil sie verboten sind.»
«Danke. Ich werd's mir merken.» «Haben Sie eine Zigarette? »
Ich klappte das Silberkästchen auf meinem Schreibtisch auf und hielt es ihr am Deckel hin. Sie nahm eine Zigarette und ließ sich Feuer geben.
«Neulich habe ich mir in einem Cafe am Kurfürstendamm in Gedanken eine Zigarette angezündet, da kam so ein Übereifriger zu mir und erinnerte mich an meine pflichten als deutsche Frau, Gattin oder Mutter. Da besteht aber herzlich wenig Aussicht, dachte ich. Ich bin fast neununddreißig und kaum in dem Alter, um damit anzufangen, neue Parteimitglieder zu produzieren. Ich bin das, was sie einen eugenischen Versager
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