Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
haben eine Kleinigkeit vergessen, nicht wahr? Von Greis' Papiere - ihre Jungens waren doch so scharf darauf, mit ihm darüber zu sprechen. Wo er sie versteckt oder wem er sie gegeben hätte. Was wollten Sie mit den Papieren anfangen, wenn Sie sie in die Finger gekriegt hätten? Eine kleine Erpressung in besseren Kreisen? Haben Sie an Leute wie meinen Klienten gedacht? Oder wollten Sie für schlechte Zeiten ein paar Politiker in die Tasche stecken?»
«Sie sind auch ganz gut informiert, Wanze. Wie ich sagte, Ihr Klient ist ein kluger Mann. Es ist ein Glück für mich, daß er Sie ins Vertrauen gezogen hat und nicht die Polizei. Glück für mich und Glück für Sie; wenn Sie nämlich ein Greifer wären und mir erzählten, was Sie mir gerade erzählt haben, wären Sie schon so gut wie tot.»
Ich warf aus der Nische einen Blick auf Inge, um zu prüfen, ob alles in Ordnung war. Ich konnte ihr glänzend schwarzes Haar leicht ausmachen. Sie ließ gerade einen uniformierten Nachtschwärmer abblitzen, der es vergeblich mit seiner besten Masche versuchte.
«Danke für den Champagner, Wanze. Sie haben ziemlich viel riskiert, mit mir zu sprechen. Und Ihr Versuch hat sich nicht sonderlich ausgezahlt. Aber Sie nehmen ja wenigstens Ihren Einsatz wieder mit.» Er grinste.
«Nun, dieses Mal war der Kitzel des Spielens alles, was ich wollte.»
Der Gangster schien das komisch zu finden. «Eine zweite Chance wird's nicht geben, verlassen Sie sich darauf.»
Ich stand auf, um zu gehen, doch er hielt mich am Ärmel zurück. Ich rechnete damit, daß er mir drohen würde, aber statt dessen sagte er:
«Hören Sie zu, ich hätte was dagegen, wenn Sie glauben würden, ich hätte Sie reingelegt. Fragen Sie mich nicht, warum, aber ich werde Ihnen einen Gefallen tun. Vielleicht weil mir Ihre Chuzpe gefällt. Drehen Sie sich nicht um, aber an der Bar sitzt ein großer, schwerer Bursche, brauner Anzug, Igelputz. Schauen Sie ihn genau an, wenn Sie zu Ihrem Tisch zurückgehen. Er ist ein Profikiller. Er ist Ihnen und Ihrem Mädchen hierhergefolgt. Sie müssen jemandem auf die Hühneraugen getreten haben. Sieht so aus, als sollten Sie diese Woche die Miete für ihn bezahlen. Ich zweifle, ob er es hier drin probieren wird, aus Respekt vor mir, verstehen Sie. Aber draußen ... Tatsache ist, daß ich's nicht besonders gut leiden kann, wenn billige Revolverhelden hier reinkommen. Macht einen schlechten Eindruck.»
«Danke für den Tip. Ich weiß das zu schätzen.» Ich zündete mir eine Zigarette an. «Gibt es hier einen Hinterausgang? Ich will nicht, daß mein Mädchen verletzt wird.»
Er nickte. «Durch die Küche und dann die Nottreppe runter. Unten ist eine Tür, die auf eine Gasse führt. Es ist ruhig da. Bloß ein paar geparkte Wagen. Einer davon, der hellgraue Sportwagen, gehört mir.» Er schob mir ein Paar Schlüssel zu. «Im Handschuhfach ist eine Kanone, falls Sie eine brauchen. Die Schlüssel lassen Sie nachher einfach im Auspuffrohr, und passen Sie auf, daß Sie mir keine Schramme in den Lack machen.»
Ich steckte die Schlüssel ein und stand auf. «War nett, mit Ihnen zu plaudern, Roter. Es ist komisch mit diesen Wanzen: Wenn man gebissen wird, achtet man kaum darauf, aber nach einer Weile juckt es wie verrückt.»
Der Rote Dieter runzelte die Stirn. «Machen Sie, daß Sie hier rauskommen, Gunther, bevor ich meine Meinung über Sie ändere.»
Auf dem Weg zurück zu Inge warf ich einen Blick zur Bar hinüber. Der Mann im braunen Anzug war leicht auszumachen, und ich erkannte in ihm den Mann wieder, der vorhin Inge angestarrt hatte. Inge fand es leicht, wenn auch nicht besonders amüsant, dem spärlichen Charme eines gutaussehenden, aber ein wenig klein geratenen SS-Offiziers zu widerstehen. Ich zog sie rasch hoch und wollte mich mit ihr aus dem Staub machen. Der Offizier hielt mich am Arm fest. Ich blickte auf seine Hand und dann in sein Gesicht.
«Zieh Leine, Kleiner», sagte ich, über seiner winzigen Gestalt aufragend wie eine Fregatte, die bei einem Fischerboot längsseits geht, «oder ich dekoriere dir die Lippe; und es wird kein Ritterkreuz mit Eichenlaub sein.» Ich zog einen zerknüllten Fünfmarkschein aus der Tasche und ließ ihn auf den Tisch fallen.
«Ich habe gar nicht gewußt, daß du einer von der eifersüchtigen Sorte bist», sagte sie, als ich sie zur Tür schob.
«Steig in den Lift und fahr direkt nach unten», sagte ich. «Wenn du rauskommst, gehst du zum Wagen und wartest auf mich. Unter dem Sitz ist ein
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