Bernhard Gunther 01 - Feuer in Berlin
Stimme und fügte hinzu: «Es ist nicht angebracht, zu viele Fragen über den Roten Dieter zu stellen. Und diese Auskunft ist umsonst.»
«Nur noch eine Frage», sagte ich. «Was ist sein gewöhnliches Gesöff?» Der Kellner, der den süffisanten Ausdruck eines Schwulen hatte, blickte mich mitleidig an, als brauche man eine solche Frage gar nicht erst zu stellen.
«Er trinkt nichts anderes als Champagner.»
«Je gewöhnlicher das Leben, desto anspruchsvoller der Geschmack, wie? Bringen Sie ihm eine Flasche an seinen Tisch, mit meinen Empfehlungen.» Ich reichte ihm meine Karte und einen Schein. « Und behalten Sie das Wechselgeld, falls was übrigbleibt.» Er musterte Inge von Kopf bis Fuß, als sie von der Toilette zurückkam. Ich machte ihm keinen Vorwurf, und er war nicht der einzige; an der Bar saß ein Mann, der sie ebenfalls bemerkenswert zu finden schien.
Wir tanzten wieder, und ich beobachtete, wie der Kellner die Flasche Champagner an den Tisch des Roten Dieter brachte. Ich konnte ihn an seinem Platz nicht sehen, doch ich sah, wie meine Karte hinübergereicht wurde und der Kellner in meine Richtung nickte.
«Hör mal», sagte ich, «ich muß etwas erledigen. Es wird nicht lange dauern, aber ich muß dich für kurze Zeit allein lassen. Wenn du irgendwas möchtest, sag's einfach dem Kellner.» Sie blickte mich ängstlich an, als ich sie zum Tisch zurückbegleitete. «Aber wohin gehst du?»
«Ich muß jemanden sprechen, der hier ist. Es dauert bloß ein paar Minuten.»
Sie lächelte mir zu und sagte: «Bitte sei vorsichtig.»
Ich beugte mich vor und küßte sie auf die Wange. «Als ginge ich auf einem Drahtseil.»
Der einsame Gast in der letzten Nische sah ein bißehen aus wie Schweinchen Schlau. Sein fetter Nacken ruhte auf ein paar mächtigen Speckrollen, die der Kragen seines Frackhemdes zusammenpreßte. Das Gesicht war so rot wie ein gekochter Schinken, und ich fragte mich, ob das die Erklärung für seinen Spitznamen war. Dieter Helfferichs Mund stand so hartnäckig schief, als habe er immer an einer dicken Zigarre kauen müssen. Wenn er sprach, glaubte man die Stimme eines mittelgroßen Braunbären zu hören, der aus dem Inneren einer kleinen Höhle knurrte. Er schien ständig kurz vor einem Wutausbruch zu stehen, und wenn er grinste, war sein Mund eine Kreuzung aus Früh-Maya und Hochgotik.
«Ein Privatdetektiv, eh? Ich bin nie einem begegnet.» «Das beweist nur, daß es von uns nicht genug gibt. Was dagegen, wenn ich mich setze? »
Er warf einen Blick auf das Etikett der Flasche. «Das ist guter Champagner. Das wenigste, was ich tun kann, ist, Sie anzuhören. Setzen Sie sich ... » Er hob die Hand und blickte noch einmal, um Eindruck zu machen, auf meine Karte - «Herr Gunther». Er schenkte uns beiden ein und hob sein Glas zu einem Toast. Überschattet von Augenbrauen von der Größe und der Gestalt waagerechter Eiffeltürme, waren Augen, die für meine Bedürfnisse zu groß waren und die beide als Iris einen abgebrochenen Bleistift hatten.
«Auf abwesende Freunde », sagte er.
Ich nickte und trank. «Wie Kurt Mutschmann, zum Beispiel. »
«Abwesend, aber nicht vergessen. » Er stieß ein aufdringliches, hämisches Lachen aus und nippte an seinem Glas.
« Es scheint, daß wir beide gern wüßten, wo er ist. Bloß um uns zu beruhigen, natürlich. Damit wir aufhören können, uns Sorgen um ihn zu machen, wie? »
« Sollten wir uns Sorgen machen?» fragte ich.
«Es sind gefährliche Zeiten für einen Mann in Kurts Branche. Na, ich bin sicher, das muß ich Ihnen nicht erzählen. Sie wissen alles darüber, nicht wahr, Sie kleine Wanze, Sie sind ja ein Ex-Polyp.» Er nickte anerkennend. «Das muß ich Ihrem Klienten lassen, Wanze, er hat richtige Intelligenz bewiesen, daß er Ihnen mehr zugetraut hat als Ihren früheren Kollegen. Er will nichts anderes als seine Klunkern zurück, ohne daß Fragen gestellt werden. Sie kommen dichter ran. Sie können verhandeln. Vielleicht zahlt er Ihnen sogar 'ne kleine Belohnung, wie? »
«Sie sind gut informiert.»
«Das bin ich, wenn das alles ist, was Ihr Klient will; und in gewissem Grad werde ich Ihnen sogar helfen, wenn ich kann.» Sein Gesicht verfinsterte sich. «Aber Mutschmann er gehört mir. Wenn Ihr Knabe irgendwelche unangebrachten Rachepläne hegt, sagen Sie ihm, daß er sie vergessen kann. Das ist mein Revier. Es ist einfach eine Sache ordentlichen Geschäftsgebarens.»
«Ist das alles, was Sie wollen? Bloß den Laden aufräumen? Sie
Weitere Kostenlose Bücher