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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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Dreckschwein», sagte ich, plötzlich zu schwach, um meinen Abscheu zu unterdrücken. «Sie heimtückischer, ge meiner Hurensohn ! »
    «Ich glaube nicht, daß sie viel gespürt hat», sagte er mit gemachter Gleichgültigkeit. «Sie stand unter Drogen. Das wird Ihnen nicht beschieden sein, wenn wir diese kleine Übung in, sagen wir -» er blickte auf seine Armbanduhr « zwölf Stunden wiederholen. Bis dahin haben Sie Zeit, alles noch einmal zu überdenken.» Er blickte über den Rand des Fasses. « Ich kann natürlich nicht versprechen, Sie einfach nur zu töten. Nicht wie dieses Mädchen. Vielleicht möchte ich Sie zweimal oder dreimal ausquetschen, ehe wir Sie über die Felder verstreuen, genau wie die Trauben.
    Andererseits kann ich Ihnen, wenn Sie mir sagen, was ich wissen will, einen erheblich weniger qualvollen Tod verspre chen. Eine Pille wäre doch viel weniger quälend für Sie, mei nen Sie nicht? »
    Ich spürte, wie meine Lippe sich kräuselte. Müller zuckte unangenehm berührt zusammen, als ich anfing zu fluchen, und schüttelte dann den Kopf.
    «Rainis», sagte er, « du darfst Herrn Gunther noch einmal schlagen, bevor du ihn in seine Unterkunft zurückbringst.»
    36
    Wieder in meiner Zelle angekommen, massierte ich die ange knackste Rippe über meiner Leber, die sich Nebes Lette für einen betäubend schmerzhaften Schlag ausgesucht hatte. Zu gleich versuchte ich, die Erinnerung an das zu verdrängen, was gerade mit Veronika passiert war, jedoch ohne Erfolg.
    Ich war Leuten begegnet, die im Krieg von Russen gefol tert worden waren. Ich entsann mich, daß sie mir erzählt hat ten, am allerschrecklichsten sei die Ungewißheit gewesen ob man sterben, ob man dem Schmerz widerstehen würde. Dieser Teil ihrer Erzählungen war sicherlich wahr. Einer von ihnen hatte eine Möglichkeit beschrieben, die Schmerzen zu verringern. Wenn man tief einatme und schlucke, könne man eine leichte Benommenheit herbeiführen, die teilweise schmerzunempfindlich mache. Das einzig Ärgerliche war, daß bei meinem Freund eine Neigung zu Anfällen chroni scher Hyperventilation zurückblieb, was schließlich dazu führte, daß er einem Herzanfall erlag. Ich verfluchte mich wegen meiner Selbstsucht. Ein junges Mädchen, bereits ein mal ein Opfer der Nazis, war umgebracht worden, weil es mit mir in Verbindung stand. Irgendwo in meinem Inneren erwiderte eine Stimme, daß Veronika es gewesen sei, die um meine Hilfe gebeten hatte und man sie sehr wahrscheinlich auch gefoltert und umgebracht hätte, wenn ich mit ihr gar nichts zu tun gehabt hätte. Aber ich war nicht in der Stim mung, es mir selber leichtzumachen. Gab es nicht noch etwas anderes, das ich Müller über Lindens Tod hätte sagen kön nen, was ihn zufriedengestellt hätte? Und was würde ich ihm erzählen, wenn ich selber an die Reihe kam? Wiederum selbstsüchtig. Aber ich konnte dem Schlangen blick des Ego ismus nicht ausweichen. Ich wollte nicht sterben. Und was noch mehr zählte, ich wollte nicht auf den Knien sterben, um Gnade flehend.
    Man sagt, daß bevorstehende Schmerzen dem Denken zur höchsten Konzentration verhelfen. Müller hätte das zweifel los gewußt. Der Gedanke an die tödliche Pille, die er mir ver sprochen hatte, wenn ich ihm alles sagte, was er hören wollte, half mir, mich an etwas Entscheidendes zu erinnern. Ich drehte meine Handschellen so lange, bis ich in meine Ho sentasche langen konnte. Ich zog mit dem kleinen Finger das Futter heraus und ließ die beiden Pillen in meine Handfläche rollen, die ich aus Doktor Heims Praxis mitgenommen hatte.
    Ich war nicht einmal sicher, warum ich sie überhaupt eingesteckt hatte. Vielleicht aus Neugier. Oder hatte mir viel leicht irgendeine Regung im Unterbewußtsein zugeflüstert, ich könnte sie unter Umständen selbst einmal brauchen, um schmerzlos zu sterben?
    Lange Zeit starrte ich die winzigen Zyankali-Kapseln mit einer Mischung aus Erleichterung und schrecklicher Faszination einfach an. Nach einer Weile verbarg ich eine Pille in meinem Hosenaufschlag und beschloß, die andere in meinem Mund aufzubewahren - jene, die mich höchstwahrscheinlich töten würde. Mit einem Sinn für Ironie, der durch meine Si tuation ungemein geschärft wurde, überlegte ich mir, ich müsse Arthur Nebe dafür dankbar sein, daß er diese töd lichen Pillen den Geheimagenten, für die sie entwickelt wor den waren, entzogen und sie für die hohen Tiere der SS ab gezweigt hatte, von denen sie zu mir gelangt waren. Viel leicht war die

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