Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
nicht auf uns schossen. Oder daß er die Waffe nicht bei sich hatte, mit der Linden erschos-
sen wurde. Sie haben doch bestimmt schon ein paar prima Ideen, Schnüffler? Zum Beispiel die, diesen Pichier aufzusu chen.»
«Es war ein Name, der, wie Becker sich erinnerte, von je mandem bei der Reklame- und Werbezentrale erwähnt wurde.»
«Von wem?»
«Von Doktor Max Abs? »
Shields nickte. Er kannte den Namen also.
«Ich würde sagen, er war's, der Pichier umbrachte. Ver mutlich tauchte er kurz nach mir bei Pichier auf und bekam heraus, daß jemand sich als sein Freund ausgegeben und Fra gen gestellt hatte. Womöglich hat Pichier ihm erzählt, er habe mich gebeten, am nächsten Tag wiederzukommen. Also brachte Abs ihn um, bevor ich wiederkam, und ließ die Pa piere mitgehen, auf denen sein Name und seine Adresse stan den. Glaubte er wenigstens. Er übersah etwas, das mich auf seine Spur führte. Nur daß er sich schon aus dem Staub ge macht hatte, als ich in seiner Wohnung aufkreuzte. Nach Aussage seiner Vermieterin ist er inzwischen unterwegs nach München. Wissen Sie, Shields, es wäre gar keine schlechte Idee, wenn Sie dafür sorgten, daß ihn jemand vom Zug ab holt.»
Shields rieb sich sein schlecht rasiertes Kinn. «Die Idee ist vielleicht wirklich nicht schlecht.»
Er stand auf, ging hinter seinen Schreibtisch, nahm den Hörer ab und führte einige Gespräche, aber der Wortschatz und die Aussprache machten es mir unmöglich, etwas zu ver stehen. Als er endlich den Hörer wieder auf die Gabel legte, blickte er auf seine Armbanduhr und sagte: «Der Zug nach München braucht elfeinhalb Stunden, also haben wir genü gend Zeit, dafür zu sorgen, daß er herzlich empfangen wird, wenn er aussteigt.»
Das Telefon läutete. Shields nahm den Hörer ab und starrte mich mit offenem Mund unverwandt an, als hätte er mir von meiner Geschichte nicht allzu viel geglaubt. Aber als er zum zweitenmal auflegte, grinste er.
« Ich habe beim Document Center angerufen», sagte er. « Ich bin sicher, Sie wissen, was das ist. Und daß Linden dort gearbeitet hat? »
Ich nickte.
« Ich hab sie gefragt, ob sie etwas über diesen Max Abs ha ben. Sie haben gerade zurückgerufen. Wie es scheint, war er auch in der SS. Er wird zwar nicht wegen irgendwelcher Kriegsverbrechen gesucht, aber ein merkwürdiger Zufall ist das schon, meinen Sie nicht auch? Sie, Becker, Abs, alles ehe malige Schüler von Himmlers Eliteschule. »
« Ein Zufall, sonst nichts», sagte ich müde.
Shields lehnte sich in seinem Stuhl zurück. «Wissen Sie, ich bin absolut bereit, zu glauben, daß Becker im Fall Linden bloß auf den Abzug gedrückt hat. Daß eure Organisation ihn aus dem Weg haben wollte, bevor er etwas über euch rausge funden hatte.»
« Wirklich?» sagte ich, nicht sehr begeistert von Shields' Theorie. « Und welche Organisation soll das sein? »
« Der Werwolf.»
Ich lachte laut. « Diese alte Geschichte von der Fünften Kolonne der Nazis? Die zurückgebliebenen Fanatiker im Un tergrund, die einen Guerillakrieg gegen unsere Eroberer fort setzen wollen? Idiotisch.»
« Irgendwas falsch dran, denken Sie? »
« Ist ein bißchen spät für sie, damit anzufangen. Der Krieg ist seit fast drei Jahren vorbei. Ihr Amerikaner habt doch mitt lerweile genügend deutsche Frauen gevögelt, um zu wissen, daß wir nie vorhatten, euch im Bett die Kehlen durchzuschnei den. Die Werwölfe ... » Ich schüttelte mitleidig den Kopf. « Ich dachte, die hat euer Geheimdienst sich ausgedacht. Aber ich muß sagen, daß ich bestimmt nie geglaubt habe, es gäbe je manden, der an diesen Mist wirklich glaubt. Hören Sie, viel leicht fand Linden etwas über einige Kriegsverbrecher raus,
und vielleicht wollten sie ihn aus dem Weg schaffen. Aber nicht der Werwolf. Versuchen wir lieber, ob wir etwas finden, was ein bißehen origineller ist, okay?» Ich zündete mir eine neue Zigarette an und sah, wie Shields nickte und sich meine Worte durch den Kopf gehen ließ. «Was sagt das Document Center über Lindens Arbeit?» fragte ich.
« Offiziell war er lediglich der Crowcass-Verbindungsoffi zier. Sie behaupten, daß Linden lediglich ein Verwaltungs mann und kein Außenagent gewesen sei. Aber andererseits würden uns die Burschen sowieso nichts sagen, wenn er für den Geheimdienst gearbeitet hätte. Die haben mehr Geheim nisse als die Marsoberfläche.» Er stand auf und ging zum Fenster. «Ich sage Ihnen was: Neulich bekam ich einen Be richt zu Gesicht, in dem stand, daß
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