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Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde

Titel: Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Kerr
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zwei von tausend Öster reichern für die Sowjets spionieren. In dieser Stadt leben im Augenblick über 1,8 Millionen Menschen. Das bedeutet:
    Wenn Onkel Sam genauso viele Spione hat wie Onkel Joe, dann gibt es direkt vor meiner Nase über siebentausend Spione. Ganz zu schweigen von dem, was die Briten und Franzosen tun. Oder was die Wiener Staatspolizei treibt das heißt die von den Roten beherrschte Politische Polizei, nicht die gewöhnliche Wiener Polizei, obwohl es auch dort von Kommunisten wimmelt. Und erst vor ein paar Minuten wurde ein ganzer Haufen Burschen von der ungarischen Staatspolizei nach Wien eingeschleust, um ein paar von ihren eigenen Dissidenten zu kidnappen oder zu ermorden.»
    Er wandte sich vom Fenster ab und ging zu dem Stuhl, der vor mir stand. Er packte die Lehne, als habe er vor, ihn hoch zuheben und ihn auf meinen Kopf krachen zu lassen, seufzte und sagte: «Was ich zu sagen versuche, Gunther, ist, daß dies eine verfaulte Stadt ist. Ich glaube, Hitler nannte sie eine Perle. Na, er muß eine Perle gemeint haben, die so gelb und abgewetzt ist wie der letzte Zahn eines toten Hundes. Ehr lich, ich schaue aus dem Fenster und sehe etwa so viel Schö nes, wie ich Blau sehe, wenn ich in die Donau pisse.»

    Shields richtete sich auf. Dann beugte er sich vor, packte mich an den Aufschlägen und zog mich hoch.
    « Wien enttäuscht mich. Gunther, und das kotzt mich an.
    Enttäuschen Sie mich nicht auch, alter Junge. Wenn Sie was rauskriegen, denke ich, sollte ich davon erfahren, und wenn Sie nicht kommen und es mir erzählen, werde ich richtig sauer. Ich kann mir hundert gute Gründe einfallen lassen, Sie mit einem Arschtritt aus dieser Stadt zu befördern, selbst wenn ich gute Laune habe, so wie jetzt. Drücke ich mich klar genug aus? »
    «Kristallklar.» Ich löste seine Hände von meiner Jacke und zog sie zurecht. Auf halbem Weg zur Tür blieb ich stehen und sagte: «Geht diese neue Zusammenarbeit mit der ame rikanischen Militärpolizei so weit, daß Sie den Burschen zu rückpfeifen, den Sie auf mich angesetzt haben?»
    «Jemand beschattet Sie? »
    «Ja, bis ich ihm letzte Nacht einen kleinen Puff versetzte.» «Dies ist eine verrückte Stadt, Gunther. Vielleicht ist er scharf auf Sie.»
    «Deshalb nahm ich an, daß er für Sie arbeitet. Der Mann ist ein Amerikaner und heißt John Belinsky.» Shields schüt telte den Kopf und riß die Augen auf, ganz Unschuld.
    «Habe nie von ihm gehört. Wirklich, ich habe niemandem befohlen, Sie zu beschatten. Wenn Ihnen jemand folgt, hat das mit diesem Büro nichts zu tun. Wissen Sie, was Sie tun sollten? »
    « Überraschen Sie mich.»
    « Gehen Sie nach Berlin. Hier ist für Sie nichts zu holen.» «Das würde ich vielleicht tun, ich bin mir bloß nicht sicher, ob es dort für mich was zu holen gibt. Das ist einer der Gründe, warum ich hergekommen bin, wissen Sie das nicht mehr?»

    16
    Es war inzwischen spät geworden, als ich im Casanova Club ankam. Die Bar war voll von Franzosen, und diese waren voll von dem, was immer Franzosen trinken, wenn sie sich richtig besaufen wollen. Jedenfalls hatte Veronika recht ge habt: Mir war die Bar lieber, wenn es ruhig war. Als ich sie in der Menge nicht entdecken konnte, fragte ich den Kellner, dem ich in der Nacht zuvor das großzügige Trinkgeld gege ben hatte, ob sie dagewesen sei.
    «Sie war erst vor zehn, fünfzehn Minuten hier», sagte er. «Ich glaube, sie ist in die Koralle gegangen, mein Herr.» Er senkte die Stimme und beugte sich zu mir. «Sie macht sich nicht viel aus Franzosen. Und, um die Wahrheit zu sagen, ich auch nicht. Die Briten, die Amerikaner, sogar die Russen, das sind Armeen, die dabei mitgemacht haben, uns zu besiegen, und die kann man wenigstens respektieren. Aber die Franzo sen? Sie sind Schweinehunde. Glauben Sie mir, mein Herr, ich weiß Bescheid. Ich wohne im 15. Bezirk, im französischen Sektor.» Er glättete das Tischtuch. «Und was möchte der Herr trinken? »
    «Ich denke, ich werde mir die Koralle mal ansehen. Wis sen Sie, wo diese Bar ist? »
    «Im 9. Bezirk, mein Herr. Porzellangasse, nicht weit von der Berggasse, dicht am Polizeigefängnis. Wissen Sie, wo das ist? »
    Ich lachte. «Allmählich, ja.»
    «Veronika ist ein nettes Mädchen», fügte der Kellner hinzu. «Für eine, die anschaffen geht.»
    Regen trieb aus dem Osten, dem russischen Sektor, in die Innenstadt. In der kalten Nachtluft verwandelte er sich in Hagel und schlug den vier Männern von der Internationalen

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