Bernhard Gunther 03 - Alte Freunde neue Feinde
qualvoll schmerzhaften Verbren nung durch das Mündungsfeuer einer automatischen Pistole, die ich unter meinem Oberarm abgefeuert hatte. Andernfalls hätte ich es riskiert, entdeckt und vom KGB erschossen zu werden.
König verlor über die Entfernung seiner Tätowierung kein Wort. Statt dessen ließ er sich weiter darüber aus, er habe eine Beschäftigung für mich.
Das alles war mehr, als ich erhofft hatte. Aber ich mußte trotzdem auf der Hut sein: Es war erst ein paar Minuten her, daß er mich fast beschuldigt hatte, mit Hauptmann Rusta weli gemeinsame Sache zu machen.
«Es ist nicht so, daß sich mir die Haare sträuben bei der Vorstellung, für jemand anderen zu arbeiten», sagte ich, «aber gerade im Augenblick habe ich eine andere Sache am Laufen.» Ich zuckte die Achseln. «Vielleicht, wenn die abge schlossen ist ... wer weiß? Jedenfalls vielen Dank.»
Er schien nicht beleidigt, daß ich sein Angebot abgelehnt hatte, und zuckte bloß gleichmütig die Achseln.
«Wo kann ich Sie finden, sollte ich meine Meinung än dern? »
«Fräulein Hartmann im Casino Orienta! wird wissen, wo.» Er zog eine zusammengefaltete Zeitung unter seinem Badetuch hervor und gab sie mir. «Öffnen Sie sie vorsichtig, wenn Sie draußen sind. Es sind zwei Hunderter drin, um den Iwan zu bezahlen, und einer ist für Ihre Mühe.»
In diesem Augenblick stöhnte er auf und umfaßte sein Ge sicht, wobei er Schneidezähne und Eckzähne entblößte, die so ebenmäßig waren wie eine Reihe winziger Milchflaschen. Als er meine hochgezogenen Augenbrauen bemerkte und meinen forschenden Blick irrtümlich für Besorgnis hielt, er klärte er, ihm fehle nichts, aber man habe ihm kürzlich zwei Zahn prothesen verpaßt.
«Ich scheine mich nicht daran gewöhnen zu können, sie im Mund zu haben», sagte er und ließ ganz kurz den verbor genen, trägen Wurm seiner Zunge sich an der oberen und der unteren Zahnreihe entlangwinden.
« Und wenn ich mich selber im Spiegel sehe, kommt es mir vor, als grinse mich ein vollkommen Fremder an. Höchst ver wirrend.» Er seufzte und schüttelte traurig den Kopf. « Wirk lich ein Jammer. Ich hatte immer so perfekte Zähne.»
Er stand auf, zog das Laken um seine Brust zurecht und schüttelte mir die Hand.
« Es war mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen, Herr Gunther», sagte er mit ungezwungenem Wiener Charme.
«Nein, das Vergnügen war ganz auf meiner Seite», erwi derte ich. König grinste. «Wir werden noch einen Österrei cher aus Ihnen machen, mein Freund.» Dann tauchte er in den Dampf, dieselbe aufreizende Melodie pfeifend.
23
Nichts lieben die Wiener mehr, als in « Stimmung» zu kom men. Sie sorgen dafür, daß dieses Gefühl der Geselligkeit in Bars und Restaurants geschaffen wird, durch die Begleitung eines Quartetts, das aus einem Kontrabaß, einer Geige, einem Akkordeon und einer Zither besteht. Für mich verkör perte diese allgegenwärtige Kombination alles, was in Wien verlogen war, wie die süßliche Gefühlsduselei und die falsche Höflichkeit. Das brachte mich in Stimmung. Freilich war es die Art von Stimmung, in der man vielleicht war, wenn man einbalsamiert, in einem mit Blei ausgeschlagenen Sarg einge schlossen und säuberlich in einem jener marmornen Mauso leen auf dem Zentralfriedhof abgestellt war. Ich wartete auf Traudl Braunsteiner im Herrenho(, einem Restaurant in der Herrengasse. Den Ort hatte sie ausgewählt, aber sie verspä tete sich. Als sie schließlich eintraf, war ihr Gesicht gerötet, weil sie gerannt war, aber auch wegen der Kälte. « Sie haben schon fast etwas Katholisches an sich, so wie Sie da im Schat ten sitzen», sagte sie und nahm am Tisch Platz.
« Das gehört zu meiner Arbeit», sagte ich. « Niemand will einen Detektiv, der so ehrlich aussieht wie der Dorfposthal ter. Trübe Beleuchtung ist gut fürs Geschäft.»
Ich winkte dem Kellner, und wir bestellten rasch.
« Emil ist sauer, weil Sie ihn in der letzten Zeit nicht be sucht haben», sagte Traudl.
« Wenn er wissen will, was ich getan habe, sagen Sie ihm, ich werde ihm eine Rechnung für neue Schuhsohlen schik ken. Ich habe diese ganze verdammte Stadt abgeklappert.»
« Sie wissen, daß er nächste Woche vor Gericht kommt, nicht wahr?»
« Das könnte ich wahrscheinlich gar nicht vergessen, denn Liebl ruft mich fast jeden Tag an.»
« Auch Emil vergißt es nicht.» Sie sprach ruhig, war aber unübersehbar aufgebracht.
«Tut mir leid», sagte ich. «Dumm von mir, das zu sagen.
Hören Sie, ich
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