Bernie und Chet
Gesicht voller Blut, fast in meiner Reichweite. Unsere Blicke trafen sich. Die Muskeln seines Arms sprangen hervor wie dicke Kabel, als er versuchte, sich nach oben über den Rand zu ziehen. Aber er schaffte es nicht, nicht mit nur einer Hand, und es gab nichts, an dem er sich mit der anderen Hand hätte festhalten können, so glatt war die Felswand. Ich beugte mich über den Rand.
»N ein, Chet.«
Das hatte ich nicht gehört. Ich beugte mich noch etwas weiter über den Rand, scharrte mit den Vorderpfoten an dem Felsen herum, die Hinterpfoten bohrte ich mit aller Kraft in die Straße. Dann senkte ich den Kopf und streckte mich so weit ich konnte nach vorne, aber es war nicht weit genug. Ich erreichte Bernie um Haaresbreite nicht.
»L ass es sein, alter Junge.«
Kam gar nicht in Frage. Wir blieben so, unsere Köpfe berührten sich fast, die Muskeln von Bernies Arm bis zum Äußersten angespannt. Dann hatte er eine Idee. Ich sah es an seinen Augen, hatte diesen Blick schon viele Male gesehen. Er griff mit seiner freien Hand nach unten, öffnete seinen Gürtel, zog ihn aus den Schlaufen, packte ihn ganz fest an dem einen Ende, dann warf er das Ende mit der Schnalle zu mir hoch. Ich packte sie, schlug meine Zähne hinein, so fest, als wäre es für die Ewigkeit.
»A uf zwei«, sagte Bernie. Ich machte mich bereit. »E ins, zwei.«
Ich zog mit aller Kraft nach hinten. Bernie hielt sich an dem Gürtel fest und zog sich gleichzeitig mit der anderen Hand nach oben, der, mit der er sich an den einsamen Vorsprung in der Felswand klammerte. Er kam hoch, langsam, ganz langsam, aber er kam hoch und noch ein bisschen höher. Meine Muskeln – den Hals entlang, den Rücken entlang, bis zu den Beinen – brannten wie Feuer. Bernie kam immer höher, seine Augen waren jetzt auf einer Höhe mit der Felskante. Sah er aus, als hätte er Angst? Weit gefehlt, zumindest nicht für mich. Er ließ den Vorsprung los und streckte den Arm aus – einen Moment lang hing er nur an dem Gürtel –, und dann drückte er seine freie Hand flach auf den Boden, ganz fest. Im selben Moment zog ich noch einmal, gab alles, und er war oben, zuerst lag sein Oberkörper auf der Straße, und dann wand er sich vorwärts, bis er ganz in Sicherheit war!
Er umarmte mich. »E s ist gut, Chet. Du kannst jetzt loslassen.«
Ich versuchte, den Gürtel fallen zu lassen, aber er hatte sich in meinen Zähnen verfangen. Bernie befreite mich. Ich leckte ihm übers Gesicht, schmeckte sein Blut und seinen Schweiß. Er hielt meinen Kopf zwischen seinen Händen, drückte ihn.
»M uss unbedingt fünf Kilo abnehmen«, sagte er. »V ielleicht sogar zehn.« Ich war mir nicht ganz sicher, wie viel das war, und überhaupt, ich fand, dass Bernie gut aussah. Allerdings konnte ich mir den Gedanken nicht verkneifen, dass eine kleine Gewichtsverminderung auf seiner Seite das Ziehen leichter machen würde, falls wir jemals wieder in die Verlegenheit kämen.
Die Welt war ganz still, bis auf das ferne Brummen eines Motors. Wir folgten dem Geräusch mit den Augen und entdeckten ganz weit oben auf der Straße einen blauen Fleck, der sich bewegte. »W enigstens habe ich das Autokennzeichen.« Das war Bernie, immer geistesgegenwärtig, den anderen immer um Längen voraus. Er strich mir über den Rücken. Ich legte die Ohren an. »I ch schulde dir was, alter Junge, und zwar eine ganze Menge«, sagte er.
Unsinn. Wir waren doch Partner.
Wir standen auf, gingen zur Felskante, blickten hinunter auf die rauchenden Reste des Porsche. »E r hätte sowieso bald seinen letzten Schnaufer gemacht«, sagte Bernie. »W ir kaufen einen neuen.« Letzter Schnaufer? Dann war das Auto also tatsächlich keine Maschine? Und woher sollten wir jemals wieder ein so tolles Auto bekommen, das coolste überhaupt? Unmöglich. Nicht zu vergessen, die finanzielle Seite. Unsere Finanzen waren ein Desaster. Bernie war doch ein Genie, warum erinnerte er sich dann nicht daran und konnte nicht einfach akzeptieren, dass wir uns mit dem lausigen alten Pick-up würden begnügen müssen. »K ennzeichen aus Nevada«, sagte er. Er lächelte mich an. »C3 P 2 Z 9 – merk dir das.« Man konnte Bernie einfach nicht böse sein. Wir gingen los.
Wieder zu Hause, müde, hungrig und durstig. Bernie bezahlte den Taxifahrer – wir waren auch getrampt und von einem Lastwagenfahrer und einem Missionar mitgenommen worden, außerdem mit zwei öffentlichen Bussen gefahren –, und wir gingen hinein. Der Anrufbeantworter blinkte. Ich
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