Bernsteinsommer (German Edition)
schon klar. Hier ist mehr als genug Platz im Haus. Und die Insel kommt deinem schwermütigen Akademiker-Naturell bestimmt sehr entgegen, Kleiner.“
„Ich war noch nie schwermütig und bin es auch heute nicht!“
„Na ja, jedenfalls bist du nicht gerade der Temperamentsbolzen, oder?“
„Aber du, oder was?“
„Na, im Gegensatz zu dir bin ich der reinste Entertainer. Spaß beiseite, Lukas, wenn du herkommst, musst du voll mitziehen. Es ist sehr wichtig, dass ich hier nicht auffliege, verstanden? Auf dieser Insel bin ich nur der Handwerker, der Werner Martinelli einen kleinen Gefallen tut und das mit einem erholsamen Inselaufenthalt verbindet. Nicht mehr und auch nicht weniger. Allerdings habe ich Kira gegenüber nur Wahrheiten über meine Familie erzählt, das macht es leichter. Du brauchst dich also nicht auch noch zu verstellen. Was mich angeht, weiß sie zwar, dass ich mal bei der Polizei war, aber mehr eigentlich nicht.“
„Schon klar! Ich werde mich nicht verquatschen, versprochen!“
„Na, dann sieh zu, dass du in den nächsten Tagen eine Fähre erwischt, Professor!“
Es dauerte noch einige Minuten, bevor sie endlich auflegten. Finn fühlte sich deutlich besser. Das Gespräch mit seinem Bruder hatte ihm gutgetan.
4. KAPITEL
D er Rest der Nacht zog sich hin. Finn hatte nicht mehr viel geschlafen, aber damit hatte er schon gerechnet, als er sich noch einmal hingelegt hatte. Nach einer ausgiebigen Dusche schlüpfte er in seine Jeans und ein himmelblaues Baumwollhemd und rief als Erstes Werner Martinelli an. Wie vermutet hatte der Besitzer des Hauses nicht das Geringste dagegen, dass Finn Besuch von seinem Bruder bekam.
„Natürlich ist das okay, das Haus ist schließlich groß genug. Ich habe dir doch gesagt, dass du dich in dem Haus wie zu Hause fühlen sollst, Finn. Du hättest mich nicht extra um Erlaubnis fragen müssen, wenn jemand aus deiner Familie dich dort besuchen will.“
„Hmm, war mir lieber so.“
„Ja, das passt zu dir, mein Junge. Mach’s gut, Finn.“
„Tschau, Werner.“
Finn legte den Hörer gar nicht erst ab, sondern wählte sofort Kiras Nummer.
„Ich bin es“, sagte er, nachdem sie sich gemeldet hatte. „Ich wollte gleich mal zu dir rüberkommen, um meinen Wagen abzuholen. Hast du Lust, mit mir zu frühstücken oder hast du schon?“
„Nein, bin grad erst aus der Dusche. Wenn dir Aufbackbrötchen und ein bisschen Käse genügen, komm her. Der Kaffee läuft schon durch.“
„Aufbackbrötchen sind mir recht. Ich kann ja auch noch mal in meinen Kühlschrank gucken. Vielleicht finde ich noch ein paar Eier und eine Scheibe Speck.“
„Gut, mach das. Bis gleich, Finn.“
„Bis gleich.“
Es ist vollkommen abstrus, dass wir uns darüber unterhalten, was wir frühstücken wollen, dachte er. Der Hunger, der in ihm tobte, hatte jedenfalls rein gar nichts mit seinem Magen zu tun. Finn grinste in sich hinein.
Kira legte ganz langsam den Hörer ab und holte gründlich Luft. Er wollte also frühstücken – und er wollte seinen Wagen abholen. Ein leises, heiseres Lachen löste sich aus ihrer Kehle. Und während sie den Tisch deckte, fühlte sie bereits das schon so vertraute und erwartungsvolle Kribbeln unter ihrer Bauchdecke.
Kaum hatte sie den Tisch fertig gedeckt, klingelte es auch schon an ihrer Haustür. Als sie ihm öffnete, sahen sie sich sekundenlang nur in die Augen. Sein Gesicht war leicht gerötet, und er wirkte erhitzt.
„Bist du gelaufen?“, fragte sie.
„Ich glaube, ja“, antwortete er. „Ich kann mich nicht mehr erinnern.“ Seine Mundwinkel zogen sich nach oben. „Bittest du mich herein, oder soll ich weiter hier in der Tür stehen bleiben?“
Kira lachte. „Natürlich nicht. Komm rein, Finn.“
Sie drehte ihm den Rücken zu und ging voraus in ihre kleine Küche. Seine Blicke folgten ihr, während er aus seiner Jeansjacke schlüpfte und sie über einen der Haken im Flur warf. Wie immer sah Kira atemberaubend aus. Bisher hatte er sie nur in langen Hosen gesehen, aber heute trug sie ein leichtes Sommerkleid, weiß, mit blauen und roten Blumen bedruckt, und darüber eine dünne taillenkurze Jeansbluse. Der weiche, fließende Stoff des Kleides endete kurz unter ihren Knien. Finn seufzte leise in sich hinein.
„Der Kaffee ist fertig“, sagte Kira. Sie stand in der Küche, noch immer mit dem Rücken zu ihm, und füllte gerade den Kaffee in eine Warmhaltekanne um, als er ganz dicht hinter sie trat und hörbar ihren Duft einzog. Kira hielt in
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