Bernsteinsommer (German Edition)
ihn dir nicht wegnehmen lassen, wie?“
„Nein. Kira gehört allein mir.“ Er schnaufte. „Zumindest solange es geht.“
„Oh Finn! Du redest wie ein Hinterwäldler.“
„Das sagt mein kleiner Bruder auch immer. Er kommt übrigens her.“
„Dein Bruder kommt hierher?“
„Ja. Ich denke, er könnte sogar morgen schon eintreffen. Ich werde nachher noch mal mit ihm telefonieren.“ Finn erhob sich. „Ich muss jetzt gehen, Magda. Ich will zum Abendessen bei Kira sein.“
Auch Magda stand auf. „Gut. Überlege genau, was du tun wirst, Finn. Auch ich werde noch einmal über all das nachdenken.“ Sie ging zu ihrem Telefontischchen und schrieb etwas auf einen Zettel.
„Hier hast du meine Telefonnummer. Und Finn?“
„Ja?“
„Geh wieder an die Nordspitze. Allein!“
„Das werde ich.“
„Mach’s gut, mein Junge.“
„Danke für alles, Magda.“ Er beugte sich herab, zog sie kurz an sich und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. „Ich werde mich wieder bei dir melden.“
„Ja, das wirst du.“
Finn fuhr zurück zum Martinelli-Haus. Er duschte kurz und zog sich um, dann rief er seinen Bruder an.
„Du kommst also mit der Mittagsfähre?“
„Ja. Sie soll kurz nach zwölf ablegen, das heißt, ich wäre so gegen dreizehn Uhr auf deiner Insel.“
„Ich werde am Anleger sein, Lukas. Ich freue mich.“
„Ich mich auch. Bis dann.“
Finn legte auf und griff sofort nach der kleinen Tasche, die er vorhin nach dem Duschen gepackt hatte. Dann verließ er das Haus.
Kira stand vor dem Haus und zupfte an den Blumen herum, die rechts und links von ihrer Haustür in tönernen Kübeln üppig blühten. Als sie Finns Wagen hörte, drehte sie sich sofort herum und ließ die verwelkten Blüten in ihrer Hand in einen bereitstehenden Eimer fallen. Noch bevor Finn den Motor abgestellt hatte, lächelten sie sich durch die Windschutzscheibe hindurch zu. Kaum war er aus dem Wagen heraus, flog sie auch schon in seine Arme.
„Endlich bist du da!“, hauchte sie atemlos, nachdem er sie ausgiebig geküsst hatte.
„Ja – endlich!“ Finn lächelte leicht und strich ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich offenbar aus ihrem Pferdeschwanz gelöst hatte. Ihre Augen leuchteten ihn strahlend an, und wieder fühlte er diese warme Zärtlichkeit in sich aufsteigen. Finn schluckte, umfasste ihre Schultern und schob Kira ein Stück von sich. „Ich habe meine Zahnbürste dabei“, sagte er schmunzelnd, um die eigenartige Stimmung zu durchbrechen, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte.
Kiras Blick veränderte sich kaum. Lächelnd sah sie zu, wie er sich noch einmal dem Auto zuwandte und die Beifahrertür öffnete, um seine Tasche herauszuholen. Dann gingen sie nebeneinanderher ins Haus.
„Es gibt Koteletts und Kartoffelsalat“, sagte sie. „Willst du ein kaltes Bier dazu?“
„Gerne.“ Finn schlüpfte aus seinem leichten Pullover und warf ihn über die Sofalehne. „Ich werde mal eben meine Sachen nach oben ins Bad bringen, okay?“
„Ja, mach das. Ich werfe in der Zwischenzeit das Fleisch in die Pfanne.“ Kira lächelte. Doch als er den Raum verlassen hatte, schloss sie kurz die Augen und atmete tief ein und wieder aus. Er hatte sich offensichtlich nach ihr gesehnt, das hatte sie deutlich gespürt, als er sie zur Begrüßung geküsst hatte, doch dann … Kira hatte ebenso eindeutig die Veränderung wahrgenommen, die nur Sekunden später in ihm vorgegangen war. Sie schüttelte sich leicht, um die störenden Gedanken zu vertreiben, ging zum Herd und gab Öl in die bereitstehende Pfanne.
Sie wollte genießen, dass er jetzt hier bei ihr war. Hier und jetzt waren sie zusammen. Alles andere ist egal, sagte sie sich.
„Ach, übrigens, morgen Mittag kommt mein kleiner Bruder“, teilte er ihr während des Essens mit.
„Dein Bruder? Lukas, nicht wahr?“
„Ja, Lukas. Er will mich für ein paar Tage besuchen.“
„Oh.“ Kira konnte plötzlich nur noch daran denken, dass Lukas Andersen ihr höchstwahrscheinlich wertvolle Zeit mit Finn nehmen würde, schämte sich aber sofort für ihre egoistischen Gedanken. „Du … freust dich sicher.“
„Natürlich freue ich mich. Wir haben uns seit vielen Wochen nicht mehr gesehen.“ Finn aß den Rest seines Koteletts auf und sah Kira in die Augen. Er schmunzelte über die steile Falte, die sich im Augenblick zwischen ihren geraden Augenbrauen zeigte. Es kam ihm vor, als könnte er ihr bis tief in die Seele sehen.
„Lukas ist ein verhuschter Büchernarr und
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