Bernsteinsommer (German Edition)
das gefiel Kira sehr.
„War die Überfahrt ruhig?“, fragte Finn.
„Ja, absolut ruhig.“ Lukas räusperte sich und strich sich mit den Fingern das goldbraune Haar zurück. Noch eine Gemeinsamkeit, dachte Kira schmunzelnd.
Finn verstaute Lukas’ Koffer und seine Reisetasche im winzigen Kofferraum seines Geländewagens.
„Kannst du dir nicht endlich mal einen vernünftigen Wagen zulegen?“, fragte Lukas mit gerunzelter Stirn. „Das ist doch ein Spielzeug.“
Finn lachte und zwinkerte Kira dabei munter zu. „Ich spiele halt gerne. Komm, Bruderherz, du hast bestimmt einen Mordshunger, oder? Kira und ich dachten, es wäre nett, hier im Gasthof etwas zu Mittag zu essen. Die Besitzer sind gute Freunde von Kira. Was hältst du davon?“
„Gute Idee. Ich habe wirklich Hunger. Vorhin fehlte mir die Zeit, vernünftig zu frühstücken. Na ja, du kennst mich ja.“
Im Gasthof war um diese Zeit nicht sehr viel los. Es waren noch nicht genug Touristen auf der Insel, um die Gaststube zu füllen, und von den Einheimischen zog es nur die wenigsten zum Mittagessen aus den eigenen vier Wänden. Nur zwei der Tische waren besetzt. Ein älteres Paar, es handelte sich unverkennbar um Touristen, saß an dem Ecktisch, den Kira und Finn am vergangenen Samstagabend gerade noch ergattert hatten. Am anderen Ende des Schenkraumes, genau neben der Tür, saßen Magda Quint und ihre Schwägerin vor ihren bereits leeren Tellern. Finn und Kira begrüßten die beiden Frauen herzlich, und Finn stellte beiden seinen Bruder vor. Nach einem kurzen Plausch setzten sie sich schließlich an einen der freien Tische, die in einer Reihe direkt vor der Fensterfront platziert waren und von denen man somit einen guten Blick auf den Anleger und den kleinen Hafen hatte.
Kaum dass sie Platz genommen hatten, kam Anna Brockmann auch schon aus der Küche gewirbelt und lächelte ihnen entgegen. Als sie näher kam und ihr Blick auf Lukas fiel, weiteten sich ihre himmelblauen Augen für einen winzigen Moment sichtbar, und ihre linke Hand überprüfte wie ferngesteuert kurz ihre Frisur. Finn musste unwillkürlich grinsen. Für ihn war diese typisch weibliche Reaktion und das eindeutige Interesse, das stets damit signalisiert wurde, nichts Neues; Lukas hingegen schien die junge Kellnerin noch nicht einmal zu bemerken.
„Halloooo!“, flötete Anna gedehnt, und Finns Grinsen wurde noch eine Spur breiter. So wie er Anna Brockmann kennengelernt hatte, würde sie sicherlich kein Blatt vor den Mund nehmen. Er war schon jetzt gespannt darauf, wie sein kleiner Bruder damit zurechtkommen würde. Das konnte wirklich interessant werden.
„Na, wen habt ihr mir denn da mitgebracht? Du weißt doch, dass ich erst im Herbst Geburtstag habe, Kira.“ Annas Lächeln war so unverfälscht und sonnig, dass es sogar Finn ganz kurz so vorkam, als hätte irgendjemand in der Gaststube plötzlich einige Lampen mehr eingeschaltet.
Wie erwartet, lächelte Lukas nur verhalten und griff sofort nach der Speisekarte, um sich dahinter zu verschanzen. Kira und Finn wechselten amüsierte Blicke miteinander, konnten ein lautes Lachen aber gerade noch unterdrücken. Stattdessen räusperte sich Finn und erinnerte sich an seine gute Kinderstube. „Anna, der sprachlose Kerl hier ist mein kleiner Bruder Lukas. Lukas, darf ich dir Anna Brockmann vorstellen? Ihrer Familie gehört dieses schöne Lokal.“
Lukas legte die Speisekarte zurück auf den Tisch, reichte Anna seine Hand und erhob sich sogar kurz. Sein Lächeln blieb aber weiterhin sehr zurückhaltend. „Angenehm.“
„Na, und mir erst!“, erwiderte Anna und zwinkerte fröhlich. „Habt ihr richtig Hunger, ihr Süßen? Heute gibt es frische Scholle satt und Olafs weltberühmten Specksalat dazu. Typisch norddeutsch und besonders für hungrige Männer sehr zu empfehlen – übrigens ist da wahnsinnig viel Eiweiß drin.“ Annas Grinsen geriet ein wenig anzüglich, aber das war vermutlich sogar beabsichtigt. Lukas und Finn räusperten sich gleichzeitig, und Kira hätte um ein Haar losgekichert wie ein alberner Teenager.
Das Essen war tatsächlich hervorragend. Kira aß schweigend ihren Salat und hörte den beiden Männern zu. Lukas berichtete seinem Bruder kurz die Neuigkeiten aus ihrer Familie und Finn stellte interessierte Fragen zur bevorstehenden Veröffentlichungvon Lukas’ Buch. Unterbrochen wurden sie nur ganz kurz, als Magda und Elke Quint sich von ihnen verabschiedeten, um den Inselladen nach der Mittagspause wieder zu
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